Ballot Ballet

Nepal hat heute eine neue verfassungsgebende Versammlung gewählt. Schätzungsweise acht Millionen Menschen – rund 65 Prozent der Stimmberechtigten – haben in 240 Wahlkreisen ihre Stimme abgegeben. Zur Auswahl standen 122 zur Wahl antretende Parteien, die sich um die 601 Sitze im sogenannten Constituent Assembly (der verfassungsgebenden Versammlung, CA) bewarben. Das CA, das gleichzeitig auch das nationale Parlament Nepals sein wird, tagt in den kommenden Monaten und Jahren im internationalen Kongresszentrum der Hauptstadt und hat den primären Auftrag, ein neues Grundgesetz für das ganze Land auszuarbeiten.

Leere Strassen am Wahltag dank generellem Fahrverbot.
Leere Strassen am Wahltag dank generellem Fahrverbot.

Am heutigen Wahltag herrschte im ganzen Land ein absolutes Fahrverbot. Ausnahmeregelungen gabs einzig für Blaulichtfahrzeuge, die Presse und die als Wahlbeobachter tätigen Organisationen. Kathmandu glich heute Morgen einer friedliche Geisterstadt mit tausenden Spaziergängern, die durch die ruhigen, für einmal nicht ganz so übel riechenden Strassen schlenderten und unter den wachen Augen der Polizei, der Armee und der UNO ihre demokratischen Rechte ausübten. Die CPN-Maoisten, welche die Wahlen boykottierten und damit drohten, notfalls mit Gewalt gegen die Wahlbevölkerung vorzugehen, haben vereinzelte Bomben gezündet. Es gab mehrere Verletzte in Kathmandu. Dazu hörten wir im Verlaufe des Tages immer wieder Berichte über Sabotageakte in abgelegenen Bergregionen. Im Wahlkreis Jumla, beispielsweise, haben die CPN-Maoisten die bereitgestellten Abstimmungs-Booths kurzerhand in einen Fluss geschmissen. Akhilesh Upadhyay, der Chefredaktor der Kathmandu Post und frühere UNO Wahlbeobachter, hat mir aber erklärt, dass dies im Vergleich zu den Vorkommnissen während den letzten Wahlen 2008 gar nichts sei. Damals kamen bei gewaltsamen Übergriffen landesweite mehrere Menschen ums Leben. Das riesige Sicherheitsaufgebot (knapp 200’000 Polizisten und Armeeangehörige), das seit Tagen für öffentliche Ordnung sorgt, hat wohl seinen Zweck erfüllt.

Wahlprognosen und Quoten-Dalits

Wer die Wahlen gewonnen hat, wird sich erst im Verlauf der nächsten Tage zeigen. Bis Ende Woche sollen die Wahlboxen aus den entlegenen Distrikten in zentrale Auszählstationen gebracht werden. Ab dann wird das grosse Werweissen und Prophezeien in den hiesigen Zeitungsspalten losgehen. Mein Tipp: die UCPN-Maoisten gewinnen die Wahlen mit gut 30 Prozent. Die NC (Nepali Congress) Partei wird zweite mit knapp unter 30 Prozent. Die UML (United Marxist Leninists) erreicht als dritte Partei etwas über 10 Prozent. Und die restlichen Parteien spielen keine relevante Rolle.

Der einzige Hummer H3 Nepals gehört dem Sohn des Kantipur-Verlagsgründers. Er hatte eine Sonderfahrbewilligung für den heutigen Tag.
Der einzige Hummer H3 Nepals gehört dem Sohn des Kantipur-Verlagsgründers. Er hatte eine Sonderfahrbewilligung für den heutigen Tag.

Hier noch ein kleiner Exkurs zum hiesigen Wahlsystem: Gewählt werden 601 Abgeordnete, 240 davon (also in jedem Wahlkreis ein Abgeordneter) nach dem “first past the post” (FPTP) System. Die FPTP Wahl gewinnt ganz einfach derjenige, der die meisten Stimmen in seinem Wahlkreis gewinnt. Daneben werde 335 Sitze im “proportional representation” (PR) System vergeben (separate Wahllisten, also andere Kandidaten als im FPTP-System). Je nach Bevölkerungsgrösse hat ein Wahlkreis ein Recht auf einen oder mehrere PR-Abgeordnete. Die Nepalesen mussten heute zwei Wahlzettel ausfüllen. Auf dem blauen FPTP-Zettel konnte man den Namen irgendeiner Person (auch von Personen ohne Parteizugehörigkeit) hinschreiben. Beim roten PR-Wahlzettel musste man sich für eine Partei entscheiden. Die Parteien waren – je nach Wahlkreis – angehalten, in ihren PR-Wahllisten bestimmte Quoten einzuhalten. So gab es beispielsweise eine landesweite Frauenquote von 33 Prozent. Zudem wurden einzelne ethnische Minderheiten (etwa die Dalits oder die Tarus) in gewissen Wahlkreisen mit bestimmten Minimalquoten versehen. Die Quoten gelten allerdings nur für die Kandidatenlisten, nicht für die effektiv ins CA einziehenden Politiker. Die restlichen 26 Sitze werden von der Übergangsregierung an Persönlichkeiten vergeben, die nicht im politischen Zirkus tanzen (etwa Staatsdenker oder lokale Berühmtheiten). Derzeit wird darüber diskutiert, die 26 Sitze den CPN-Maoisten zuzugestehen, damit diese auch in den Verfassungs-Prozess miteingebunden werden und nicht als Aussenseiter weiterhin gewalttätig gegen den politischen Fortschritt Nepals ankämpfen.

Wahlen, so what?
Wahlen, so what?

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