Banda who?

Corpus delicti: der Gaskanister wäre beinahe explodiert.
Corpus delicti: der Gaskanister wäre beinahe explodiert.

Ach Herrje, die Kantine brennt. 14 Uhr, die Mittagspause grad vorbei. Eine Explosion, Rauch, ein Gasleck. Der Kantipur-Turm B wird evakuiert. An die fünfzig Journis stehen dicht gedrängt auf dem Vorplatz und starren in den dichten Rauch. Der dicke TV-Chef und seine Kumpanen bilden eine Männerkette, lassen niemanden näher ran ans Geschehen, ausser natürlich die eigenen Kameraleute. Die stürmen ins brennende Erdgeschoss. Dann kommt die Polizei, ein Alarm geht los. Ein paar Männer versuchen, einen alten Schlauch auszurollen und den verklemmten Wasserhahn aufzudrehen. Wasser, Feuerlöscher, aufgeregte Diskussionen. Wir lehnen aus dem Fenster im fünften Stock von Turm A und gaffen von oben herab auf das emsige Treiben. Niemand wurde verletzt. Die Kantine blieb am Folgetag geschlossen. Heute gabs aber schon wieder Buff Momos und Black Coffee für 70 Rappen. “No problem”, nichts passiert, back to normal.

18 Bomben an einem Tag

Weniger normal ist die Situation derzeit auf Kathmandus Strassen. Seit drei Tagen herrscht banda law in den hiesigen Gassen. Die CPN-Maoisten und ein paar verbündete Splitterparteien haben dem ganzen Land einen General Shutdown verordnet, um die Wahlvorbereitungen zu stören und die Wahlen am 19. November nach Möglichkeit gar zu verhindern. Geschäfte und Restaurants blieben am ersten Banda-Tag geschlossen. Der Verkehr wurde (mit Ausnahme von “tourist only”-Bussen, Mofas und Ambulanzen) lahmgelegt. Kathmandus Strassen waren angenehm ruhig und die Luft zum ersten Mal seit Monaten richtig klar. Statt dem üblichen Smog sieht man seit drei Tagen die verschneiten Berge des Langtang-Massives über die umliegenden Hügel des Kathmandu Valleys hinausragen. Der Anblick erinnert mich an den Humphrey’s Peak, den ich in Flagstaff ein halbes Jahr lang jeden Morgen auf dem Weg zur Uni bewundert habe.

Seit gestern haben die Geschäfte und Restaurants wieder geöffnet. Die CPN-Maoisten haben offensichtlich an Rückhalt in der Bevölkerung verloren. Ihr Ziel, das Land für zehn Tage lahm zu legen, war schlicht zu hoch gesteckt. Zu gross war der mediale und öffentliche Druck, den Banda voerzeitig zu beenden. Auch Busse und Taxis rollen wieder durch die Stadt. An jeder Strassenkreuzung stehen Polizisten und Armeetruppen, schwer bewaffnet. Die Regierung hat angekündigt, drastisch gegen sämtliche Banda-Verantwortlichen vorzugehen. Und dennoch, ganz vorbei ist der Spuk noch nicht. Alleine heute gingen im Kathmandu Valley 18 Bomben hoch. Die improvised explosive devises (IEDs) wurden von den Maoisten auf Busse und Taxis geworfen. Mehrere Personen wurden verletzt.

Die Maoisten haben heute angefangen damit zu drohen, mit Guerrillataktiken gegen die Banda-Brecher vorzugehen. Statt gegen öffentliche Verkehrsmittel oder politische Kampagnenmitarbeiter wollen sie in den kommenden Tagen vermehrt gegen Zivilpersonen vorgehen, um den Menschen Angst einzujagen und sie davon abzuhalten, am 19. November ein neues Parlament zu wählen. Die Maoisten wollen erreichen, dass am Wahltag weniger als 50 Prozent der Stimmberechtigten ihre Stimme abgeben können. In ihren Augen käme das einer illegitimen, gescheiterten Wahl gleich. In seinem Editorial hat Pranaya Rana (mein Chef) dieses Legitimitätsverständnis der maoistischen Demokratietheorie heute mit Beispielen aus der Schweiz und den USA widerlegt. Der Glaube daran, dass Wahlen nur legitim sind, wenn eine Mehrheit der Bevölkerung daran teilnimmt, ist in den Augen der meisten Nepalesen demnach falsch. Da haben sie was gemeinsam mit den hochdemokratisierten Schweizern.

Reiserntende Maoisten & Verfolgte Frauen

What else? Die Kathmandu Post hat in den letzten Tagen fast ausschliesslich über Wahl-verwandte Themen berichtet. Eine Ausnahme bildete ein Artikel über das erneute Aufflammen der Hexenverfolgungen in den westlichen Distrikten und ein nachdenklich stimmender Bericht einer nepalesischen Ärztin über die unterschiedliche Behandlung von neugeborenen Mädchen und Jungen. Witzig war die Kurzmeldung aus dem südlichen Terai-Gebiet in der gestrigen Ausgabe. Dort haben die UCPN-Maoisten (die friedlich an den Wahlen teilnehmen) offenbar damit begonnen, den Bauern bei ihrer Reisernte zu helfen, als Gegenleistung für deren Stimme. Hands-on politics!

Dunstige Abendstimmung: Ausblick von meinem Arbeitsplatz.
Dunstige Abendstimmung: Ausblick von meinem Arbeitsplatz.

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