Eine Flasche Wein und kein Wasser – Ankunft in Tbilisi

Wir kamen über das Schwarze Meer. Es war ein kurzer Flug, knapp zwei Stunden, schnurgerade der Küste entlang von Istanbul. Aus dem Dösen erwachend, sehe ich die Landschaft unter mir: braune, karge Hügel, sanft geschwungen wie ausgewaschene Sandhaufen, einzelne Siedlungen, flache Plateaus, zerschnitten von Canyons, ein See. Dann, tief unter uns, kreuzten wir den Flughafen von Tbilisi, – wie wenn der Pilot in dieser kargen Landschaft sein Ziel vergessen hätte.

Hoffen auf den Aufschwung

Der Flughafen ist klein: Eine Landebahn, einige alte Hangars, Flugzeuge, bei denen nicht klar ist, ob sie irgendwann nochmals abheben sollen. Doch der kleine Flughafen hat grössere Pläne, will wachsen: eine Maschine des arabischen Billigfliegers Air Arabia steht bereits am Dock – wie ein Vorbote des erhofften touristischen Aufschwungs. Daneben bauen Arbeiter an dieser Hoffnung in Form eines zweiten Flughafentrakts. Im Innern des Gebäudes zeigt sich dann, worauf die politische Hoffnung Georgiens liegt. «Welcome to Georgia – EU associated state» heisst es auf Tafeln an den Passkontroll-Häuschen. Ein Willkommensgruss, erfüllt mit einem Stolz, den vielleicht nicht alle mitfühlen können, hier irgendwo zwischen Europa, Naher Osten und Asien – und der irgendwie auch ein bisschen hoffnungslos wirkt.

Im abendlichen Stossverkehr Richtung Innenstadt von Tbilisi.
Im abendlichen Stossverkehr Richtung Innenstadt von Tbilisi.

«Lukas» steht auf dem Blatt Papier, das der ältere Mann beim Ausgang hält. Seinen Namen, den mir meine Vermieterin geschrieben hat, habe ich wieder vergessen. Doch die Kommunikation klappt: Zwar nicht auf Englisch, aber der Mann spricht Russisch, wie wohl alle seiner Generation – vielleicht nicht allzu gut und vielleicht seit dem Krieg von 2008 auch nicht allzu gerne, wie man manchmal liest. Er nimmt mir bestimmt die Reisetasche aus der Hand und schreitet zielstrebig voran, in Richtung eines alten Autos, vielleicht gar eines Ladas, wie ich mir leise erhoffe. Doch das Ziel mag so nicht zu seiner Erscheinung passen mit seinen ältlichen Kleidern: ein schwarzer Mercedes – und das für 15 Dollar, den vereinbarten Preis. Wir fahren los, und als ich anfange durchs Fenster zu fotografieren, nennt er mir freundlich bei jedem Gebäude Name und Funktion. Es wird eine einträchtige Fahrt durch den abendlichen Stossverkehr Tbilisis.

Als Shalva hält, werde ich stutzig. Die Wohnung sollte am Ende der Strasse sein, wo gleich der Park beginnt. So hat es mir Airbnb gezeigt. Wir sind viel zu weit vorne. Doch Shalva lässt sich nicht beirren, ruft den Gastgeber an. Und prompt kommen zwei Männer. Der jüngere stellt sich mir als Ehemann der Vermieterin vor. Auch er geht nicht darauf ein, dass die Wohnung doch weiter hinten liegen müsse. Ich folge den beiden. Wir gehen in ein grosses Haus aus der Sowjetzeit, mit hohen Decken und einem heruntergekommenen Treppenhaus. Ich schleppe meine Reisetasche hoch, immer noch ein bisschen misstrauisch. Im zweiten Stock öffnet Otar, der Ehemann, die Türe zur Wohnung. Sie liegt gleich neben jener seines Vaters, des zweiten Mannes. Und im Innern sieht es tatsächlich so aus wie auf den Bildern. Manchmal ist Google Maps nicht zu trauen.

Wasserkanister stehen bereit

Georgien ist bekannt für seine Gastfreundschaft und seinen Wein. Und so steht eine Flasche lokalen Weins in der Küche als Willkommensgeschenk für den Gast. Alles funktioniert problemlos in dieser Stadt, so mein erster Eindruck. Erst später, nach Mitternacht, als bis weit in den nächsten Tag hinein das fliessende Wasser ausfällt, wird mir bewusst: Selbst in der Hauptstadt ist Georgien stellenweise noch Entwicklungsland. Zum Glück stehen ein paar Kanister mit Wasser bereit.

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