Ja, wir schwimmen!

Die Halbzeit ist um und ich bin der Meinung, es ist höchste Zeit für einen ersten Rückblick auf unseren Aufenthalt hier in Nicaragua. Die kurze Fassung ist, dass wir im Alltag angekommen sind. Es gibt auch die Längere: Schon nach wenigen Tagen war klar, wir leiden in Managua an akutem Bewegungsmangel. Von Spaziergängen wird wegen der Sicherheit abgeraten, Pärke sind ausgetrocknet oder klein, und die einzige «Lagune» stinkt nach faulen Eiern. Wir wollten trotzdem schwimmen gehen, weil es hier so angenehm warm ist. Also suchten wir ein Schwimmbad. Bis zum Erfolg verstrichen rund vier Wochen.

Weil in Nicaragua nicht jede noch so kleine und unwichtige Institution ihre eigene Webseite betreibt wie in der Schweiz, mussten wir zunächst eine Recherche starten. Etliche RedaktionskollegInnen und per Zufall an uns geratene Personen, mussten Auskunft geben über Standort, Preis, Zustand, Länge des Beckens, Wasserqualität und Öffnungszeiten. Die Antworten reichten von «In Managua kann man nicht schwimmen», bis hin zu den lustig gemeinten Aussagen wie: «Ihr könnt ja im Managuasee schwimmen». Das machen wir selbstverständlich nicht, denn die trübe Suppe ist selbst für einen karpfigen Schmutzfisch kein Paradies. Die Touristen-Restaurants am Ufer verkaufen die Fische troztdem als Essware.

Mit Militärmännern kraulen?

Irgendwann stellte sich heraus, dass es in Managua Schwimmbäder gibt. Mit unserem Taxifahrer Salvador starteten wir die erste Erkundungstour und landeten in der Dunkelheit auf einem menschenleeren Gelände, dessen Büro- oder Schulgebäude mich an Filmszenen erinnerten, in denen kleine Buben von Priestern misshandelt werden. Ein Schwimmbad bekamen wir nicht zu Gesicht, die Wachmänner beim Eingang sagten uns, es sei wegen Sanierungsarbeiten geschlossen. Wie lange noch, wussten sie nicht. Hoffnungsvoll und mit Tatendrang, planten wir für einen anderen Tag, das nächste Schwimmbad zu rekognoszieren. Jenes des Militärs mit olympischem Becken und dem angsteinflössenden Namen «Barracuda».

Bevor dieser Tag kam, starteten wir noch mehrere Suchübungen in den verschiedensten Hotels Managuas. «Intercontinental», «Hilton», «Crowne Plaza», wir kennen alle mit Chlormittel polierten Empfangshallen der Nobelhotels. Nur sahen deren «Badelandschaften» und «Spas» auf den Internetseiten meistens grösser aus, als die Badewannen, die wir antrafen. Klassische Weitwinkel-Foto-Falle.

Der Tag war gekommen und wir sagten uns: «Letzte Hoffnung Barracuda.» Unser Taxifahrer Salvador fuhr zunächst bei Feierabendverkehr um die ganze Stadt (und meinte, wir merkten es nicht), anstatt zum Schwimmbad. Er brachte einen Neffen, Cousin oder Bruder zur Arbeit. Weil dieser praktisch neben unserer Haustüre ausstieg, es spät war und wir genervt und enttäuscht, fuhren wir nirgendwo mehr hin mit Salvador. Seither heisst unser Taxifahrer Víctor. Dieser brachte uns endlich zum Barracuda. Es war wegen eines Feiertags geschlossen.

Expertinnen der Bikinikultur

Heute können wir stolz sagen: «Ja, wir schwimmen!» Und wir tun es erst noch mit den Schönen und Reichen im «Sporting Club». Das tönt schrecklich, die Anlage ist aber meistens leer und (für AusländerInnen) bezahlbar. Jetzt fehlt nur noch ein Detail, das in den oberen Zeilen vergessen ging. Dazwischen wurden wir einmal ausgeraubt, als wir die Bikinis im Rucksack hatten. Wir wollten schwimmen gehen. Stattdessen verbrachten wir den Tag auf dem Polizeiposten.

Der Kauf eines Bikinis in Managua dauerte ungefähr eine Woche. Zunächst mussten wir das geeignete Einkaufszentrum finden. Dann fanden wir heraus, dass die Nicaraguanerinnen entweder T-Shirt und Shorts zum Baden tragen oder die wirklich heissen Teile mit Fäden, Spitzen und Gold. Als Alternative gäbe es die Tankinis, wunderschön, oder die Seniorenabteilung. Bikiniähnliche Unterwäsche tut es auch, entschlossen wir. Heute ist alles gut. Selbst der gestohlene Rucksack ist durch ein Werbegeschenk einer Pressekonfrenz ersetzt worden.

Einer der Diebe wurde Dank der Hilfe der AnwohnerInnen und der Waldpolizei in flagranti erwischt. (Bild: Tanja Lander)
Einer der Diebe wurde mit Hilfe der AnwohnerInnen und der Waldpolizei in flagranti erwischt. (Bild: Tanja Lander)

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