Mittendrin und aussen vor

Der erste Monat ist bereits vorbei. Höchste Zeit, um von mir hören zu lassen. “Wie funktioniert die Redaktion? Wie ist der Alltag in Myanmar?‘ – fragen die Freunde zu Hause. Bereits jetzt weiss ich, dass ich diesen Aufenthalt niemals missen möchte. Dennoch fallen meine Antworten in Richtung Schweiz unterschiedlich aus.

Wohl auch deshalb habe ich den zweiten Blog-Eintrag vor mir hergeschoben. Euphorisch oder frustriert: Die jeweilige Stimmung nistete  störrisch zwischen den Zeilen, das Gesamtbild stets verzerrend.

Um es gleich vorweg zu nehmen, die vergangenen Tage waren grossartig. Eben erst bin ich von einem verlängerten Wochenendausflug aus dem Mon-State zurückgekehrt. Der Fotograf des Mizzima Magazins hat mich eingeladen, seine Eltern zu besuchen. Pagoden, Berge, Strände – alle Sehenswürdigkeiten seiner Heimat sollte ich sehen. Zwei Tage lang buchte die Familie einen Wagen mit Fahrer. Jeweils um 6 Uhr morgens ging es los.

Steigt die Flut, kriegen die Besucher in der Kyaikkami Yele Pagoda nasse Füsse.

Wir besuchten Pagoden an der Küste, in denen die Flut sich über den Boden wälzt, um am Fusse der Buddha-Statuen den Rückweg anzutreten. Wir spazierten durch lichten Wald, in dem Novizen Fussball spielten und unter einem Wasserfall planschten. Wir bestellten eine zweite Portion des hervorragenden vegetarischen Essens, weil meine Gastgeber sich sorgten, der nächste Koch könnte das Handwerk nicht gleich gut beherrschen.

Diese  Gastfreundschaft liess die Ernüchterung der Vortage implodieren. Auch damals setzte ich zu einem Blogeintrag an. Folgendes floss zu Papier:

Diesen Sonntag sind Tausende durch Yangon marschiert, Militärlieder singend, die Staatsflagge schwingend. Sie zogen durch die Strassen, um für die Armee zu demonstrieren. Ein Novum, in einem Land, das jahrzehntelang unter deren Diktatur litt. Doch die Krise im Rakhine-Staat verleiht den Militärs Aufschwung, mobilisiert nun gar Massen.

Ein Wendepunkt oder eine geschickte Inszenierung? Das muss sich noch weisen. Auf jeden Fall wäre es ein Tag gewesen, um als Journalistin vor Ort zu sein. Stimmen einholen, nachfragen, berichten. Mit Einheimischen über die Rohingya zu sprechen, ist im besten Fall harzig. Vielleicht hätte sich heute jemand im Schutze der Masse, im Schatten der wehenden Fahnen erklärt. Vielleicht.

Doch von der Kundgebung erfuhr ich erst am Abend. Im Internet. Dabei war ich bloss ein paar hundert Meter davon entfernt. Sie haben genügt, damit der Lärm der Grossstadt die Gesänge übertönte, die Hauswände versperrten die Sicht. Nicht zum ersten Mal las ich, was in unmittelbarer Nachbarschaft geschehen war – ohne selbst vor Ort zu sein.

Über welche Kanäle die zwei Redaktionsteams von solchen Anlässen im Vorfeld erfahren, ist mir bis heute unklar. Ebenso, wie sie koordinieren und planen. Das burmesische Team wusste von der Kundgebung. Das englische Team, das vor Ort lediglich aus einem Fotografen und (gegenwärtig) mir besteht, musste auf Agenturmeldungen zurückgreifen. Bis zu uns drang die Meldung nicht. Ein gemeinsamer Mail-Account oder Kalender? Beides ist nicht vorhanden. Ebenso gibt es keine gemeinsamen Sitzungen.

Letzteres hat geographische Gründe. Für das englischsprachige Magazin arbeiten neben dem gastfreundlichen Fotograf noch zwei Redaktoren. Sie leben und schreiben jedoch in Chiang Mai (Thailand). Fairerweise muss gesagt sein: Sie geben sich alle Mühe, mich zu unterstützen. Wann nötig, skypen wir. Meine E-Mails beantworten sie innert Kürze.

Dennoch ist meine Situation am ehesten mit jener einer Freien zu vergleichen, die gelegentlich mit Event-Geschichten beauftragt wird. Das gibt zwar grosse Freiheiten, die beflügeln. Frustrierend ist es aber dann, wenn Ergeignisse ein Land durchschütteln – und die Redaktion aufgrund der geografischen Distanz oder des fehlenden Netzwerkes nicht mithalten kann.

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