Tourismus gegen Emigration

Viele der Häuser in den Dörfern sind verlassen.
Viele der Häuser in den Dörfern sind verlassen: Die Menschen sind auf der Suche nach Arbeit ausgewandert.

Die Reise beginnt mit einem Schrecken. Zusammen mit dem Deza-Mitarbeiter und der Praktikantin der Schweizer Botschaft steht mein erster Besuch eines Deza-Projektes an. Es handelt sich um drei «Comunidades», Dörfer auf dem Land, mit einer grossen Emigration. Die meisten Leute dort arbeiten als Bauern und die Jungen haben wenig Aussichten auf Jobs. Geführte Touren durch die wunderbare Landschaft und neu gebaute Herbergen sollen den Tourismus ankurbeln und den Menschen in diesen Dörfern eine neue Einnahmequelle ermöglichen. Mehr dazu aber später. Zuerst zu unserer Reise.

Wir fliegen via Cochabamba nach Tarija in den Süden Boliviens, nahe der argentinischen Grenze. Der Flug nach Cochabamba ist unruhig, es gibt ein paar Turbulenzen. Nicht weiter schlimm. Doch plötzlich steigt das Flugzeug fast senkrecht nach unten. Die Passagiere erschrecken und springen von ihren Sitzen hoch und ich denke: Das war’s jetzt. So muss es sich anfühlen, wenn man abstürzt. Im Hinterkopf die Flugzeugunfälle, die sich in Bolivien immer wieder ereignen. Erst vor ein paar Wochen stürzte eine Maschine der Fluggesellschaft Aerocon in Riberalta, einer Stadt im Amazonasbecken, ab. Wir fliegen mit der Staatsgesellschaft BOA. Das Flugzeug fängt sich wieder und wir fliegen geradeaus weiter. Es folgt keine Information des Piloten über den Lautsprecher über das, was gerade geschah.

Nach der Landung erzählt uns der Deza-Mitarbeiter, wie er ein Gespräch der Besatzung aufgeschnappt habe, dass der Pilot einem anderen entgegenkommenden Flugzeug ausweichen musste. Der Schock sitzt uns noch in den Knochen und mit einem mulmigen Gefühl besteigen wir den Anschlussflug nach Tarija, wo wir schliesslich ohne weitere Probleme ankommen.

Was es mit dem «Vivir bien» auf sich hat

Zu Besuch bei der NGO Prometa und ein Erklärungsversuch über das  Vivir bien.
Zu Besuch bei der NGO Prometa und ein Erklärungsversuch zu „Vivir bien“.

In Tarija besuchen wir die NGO Prometa, welche Projekte im Bereich der Erhaltung der Biodiversität durchführt. Der Chef der NGO erklärt uns, wie seine Organisation das Konzept des «Vivir bien» in die Arbeit miteinbezieht. Dieses hierzulande so wichtige «Vivir bien» ist für uns Europäer oft etwas abstrakt. Ein Erklärungsversuch: «Vivir bien» (gut leben) bedeutet die Mutter Erde (Madre Tierra) zu respektieren und einen Ausgleich zwischen Mensch und Natur zu finden. Es ist der Glaube, dass «Madre Tierra», die Menschen und die Tiere zusammen ein Lebewesen darstellen. Sie sind miteinander verbunden und voneinander abhängig. Es geht auch darum, gemeinsam zu arbeiten und sich gegenseitig zu unterstützen. Auch die Geschichte, Brauchtum und Sprache der Indígenas, die teilweise drohen verloren zu gehen, sind Teil des «Vivir bien». Traditionen und Werte sollen weitergegeben werden. Ein typisches Ritual einer Feier, bei welcher «Madre Tierra» für ihre Gaben gedankt wird, ist es ein Teil seines Getränkes auf den Boden zu giessen, bevor man das Glas zum Trinken ansetzt.

Von Tarija geht es weiter zu unserem eigentlichen Ziel Tupiza. Die knapp fünfstündige Autofahrt führt uns durch wunderbare Landschaften. Von flachen, grünen Tälern über sanfte Hügel bis zu kuriosen, rot, braun, und grau schimmernden Felsen. Die Aussicht von der Schotterstrasse, die sich über die Berge schlängelt und kaum befahren wird, ist traumhaft.

Aussicht auf der Fahrt nach Tupiza.
Eine abwechslungsreiche Landschaft zeigt sich uns auf dem Weg nach Tupiza.

Auf dem Weg füttert uns der Deza-Mitarbeiter immer wieder mit anschaulichen, interessanten Informationen über Flora und Fauna und die Kultur der Einheimischen. Etwas müde, aber gespannt auf die folgenden Tage erreichen wir am Abend Tupiza, eine entspannte Kleinstadt mit mildem Klima. Wir treffen die beiden jungen Projektberater vor Ort, Mariana und Daniel. Beim Nachtessen berichten sie über den Stand des Projektes. Bei einer «Comunidad» laufe es sehr gut, bei den anderen beiden harze es noch etwas.

Aufbau von drei Herbergen in den Dörfern
Am nächsten Morgen informieren uns Mariana und Daniel ausführlich über das Projekt. Es handelt sich um ein Projekt im biokulturellen, gemeinnützigen Tourismus. Das von der Deza unterstützte Projekt läuft seit zwei Jahren. Der eigentliche Besuch in Tupiza bezeichnet den Abschluss des Projektes, beziehungsweise den Rückzug der Deza aus dem Projekt. Die Deza hat es mit rund 90 000 Franken aufgebaut. Bei dem jährlichen Budget von rund 30 Millionen Franken ist es im Vergleich ein kleines Projekt.

Herberge in Oploca
Hinter den Rundbögen befindet sich das Restaurant der Herberge von Oploca.

Mit dem Projekt soll der Tourismus in den Dörfern gefördert werden. Gleichzeitig soll die lokale Kultur aufgewertet und die Biodiversität geschützt werden. Die Dörfer befinden sich eingebettet in eine attraktive Landschaft. Andere Reiseagenturen operieren hier bereits, ohne dass die Dorfbevölkerung davon profitiert. Damit die «Comunidades» selber in das Tourismusgeschäft einsteigen und direkt von ihren eigenen Ressourcen profitieren können, wurden drei gemeinnützige Unternehmen gegründet. In jedem Dorf wurde eine Herberge gebaut, damit die Touristen eine Übernachtungsmöglichkeit vor Ort finden. Lokale Reiseführer wurden ausgebildet. Geschichten, Traditionen und Rezepte zusammengefasst, welche den Touristen näher gebracht werden sollen. Die drei Unternehmen administrieren den Tourismus in ihrem Dorf. Die Idee ist, dass schliesslich das ganze Dorf profitiert, die Armut ein wenig gesenkt wird und ein paar Stellen geschaffen werden können.

Zimmer
60 Prozent der Einnahmen werden in die Herberge und den Tourismus im Dorf reinvestiert.

60 Prozent der Einnahmen werden reinvestiert, 30 Prozent gehen an die Teilhaber des Unternehmens, welche die Herberge führen oder als Reiseführer arbeiten und 10 Prozent gehen an die Bevölkerung im Dorf. Für die Ausführung des Projektes ist die private Reiseagentur «Tupizatours» in Tupiza verantwortlich. Bereits etabliert im Tourismusgeschäft der Region, hat sich «Tupizatours» verpflichtet, den Touristenstrom auch in die Dörfer zu lenken. Es werden Wanderungen, Fahrradtouren und Ausritte in die Dörfer organisiert.

Nun liegt der Ball bei den «Comunidades». Sie sind jetzt selbst verantwortlich, dass das Projekt weiterläuft, beziehungsweise richtig startet. Denn zwei der Dörfer hatten bisher noch kaum Touristen. Das dritte hatte bereits über 30 Reisegruppen, welche die «Comunidad» besucht, eine geführte Tour gebucht oder in der Herberge übernachtet haben. Wieso diese Unterschiede bestehen, werden wir bald feststellen. Der Besuch von allen drei «Comunidades» steht an.

Mit dem Fahrrad ins Dorf

Wunderschöne Landschaft
Schöne Aussichten auf dem Weg ins Dorf Chuquiago.

Da später ein administrativer Teil des Projektes ansteht, zu dem wir nichts beitragen können, gehen wir beiden Praktikantinnen auf eine geführte Tour mit Pedro, um selbst zu erleben, was hier neu den Touristen angeboten wird. Mit den Fahrrädern machen wir uns auf den Weg den Bahnschienen entlang nach Chuquiago, der ersten «Comunidad», die wir im Rahmen des Projektes besuchen. Die Landschaft ist ein Juwel mit dem Fluss und den von orange über rot bis violett farbigen Felsen. Die Sonne brennt auf uns nieder, wir haben uns ja auch ausgerechnet die Mittagszeit ausgesucht, um diese Fahrt zu unternehmen. Dank Hut und dreimaligem eincremen holen wir uns keinen Sonnenbrand.

 

Auf dem Weg erzählt uns der 19-Jährige über das Leben im Dorf. Seine Eltern sind Bauern und bauen Kartoffeln, Mais und eine Form von Weizen an. Pedro macht seine Sache als lokaler Reiseführer gut. Mit unserem Hintergrundwissen stellen wir aber fest, dass er vor allem wiedergibt, was ihm in den Workshops beigebracht wurde. Natürlich schliesst das nicht aus, dass er selber auch wirklich glaubt, was er erzählt und würden wir das Projekt nicht kennen, würde es wohl kaum auffallen.

Pedro flickt die Fahrräder.
Wir haben eine Panne: Pedro flickt die Fahrräder.

Am Fluss machen wir eine Mittagspause und essen zum ersten Mal «Tamales», eine Spezialität aus der Region. Es sind mit ein wenig Rindfleisch, Zwiebeln und Knoblauch gefüllte Maisbällchen, in deren Genuss wir die nächsten Tage noch öfters kommen.

Dreimal haben wir eine Panne, da rund drei Zentimeter lange Dornen auf dem Weg liegen, die sich unsere Räder einfangen. Aber Pedro ist nicht nur Reiseführer sondern auch Velomechaniker und flickt die Räder rasch.

Als wir am Eingang des Dorfes ankommen sehen wir bereits die ersten verlassenen Häuser. Später erzählt Pedro, dass fast die Hälfte der Familien des Dorfes in den letzten fünf bis zehn Jahren in die Städte oder nach Argentinien ausgewandert ist auf der Suche nach Arbeit.

Herberge
Die Herberge in Chuquiago ist idyllisch, aber zwischen den Dorfleuten gibt es Konflikte.

Die Dorfbevölkerung von Chuquiago steht nicht vereint hinter dem Projekt, was Pedro bedauert: «Wir müssen unsere Kräfte zusammentun, um vorwärts zu kommen, das Dorf darf sich nicht spalten.» Scheinbar gab es Konflikte, da einige Dorfbewohner befürchteten, dass einige mehr profitieren als andere. «Ich glaube, dass wir schliesslich alle davon profitieren», ist Pedro überzeugt.

Bei der Projektübergabe in Chuquiago verleiht die Geschäftsführerin von «Tupizatours» ihren Befürchtungen Ausdruck, dass das Projekt hier zu scheitern droht und ruft die Leute auf, sich gemeinsam dafür einzusetzen. Dass hier nicht alles so ganz harmonisch ist, zeigt sich auch darin, dass nur wenige Dorfbewohner zur Feier gekommen sind, worüber einer der Dorfvertreter sichtlich konsterniert ist.

Es wäre schade, würde das Tourismusprojekt hier an der Uneinigkeit der Dorfbewohner scheitern, an den äusseren Faktoren mangelt es jedenfalls nicht, die Herberge ist sehr schön und die Umgebung ebenfalls.

Noch kaum Touristen

Die beiden Berater vor Ort Daniel und Mariana freuen sich über den erfolgreich Abschluss des Projektes.
Daniel und Mariana sind die beiden Projektberater vor Ort und haben mit den Dorfleuten das Tourismusprojekt aufgezogen.

Am nächsten Tag steht der offizielle Projektabschluss in Tupiza auf dem Programm. Behörden und interessierte Einwohner erscheinen zahlreich im Saal des Gymnasiums, wo der Akt stattfindet. Weil es sich gut anschickt, werden wir von der Projektleiterin kurzerhand zu Vertreterinnen der Schweizer Botschaft und der Deza erklärt und gebeten, uns ebenfalls auf die Bühne zwischen all die Redner und Repräsentanten zu setzen. Sagen müssen wir zum Glück nichts. Ein Journalist vom lokalen Fernsehen filmt alles. Wenn die wüssten, dass wir «nur» Praktikantinnen sind.

Am Nachmittag besichtigen wir die «Comunidad» Oploca. Auch hier scheint der anfängliche Enthusiasmus der Dorfbewohner etwas gebremst. Denn genau wie in Chuquiago hatten auch sie während den letzten Wochen und Monaten noch kaum Touristen gesehen. Eines der Probleme liegt bestimmt auch darin, dass die beiden Verantwortlichen der «Comunidades», beide engagierte, intelligente Frauen, nicht im Dorf selber leben, sondern in Tupiza und im noch weiter entfernten Villazón wohnen. In Oploca lebt aber noch Roberto mit seiner Familie. Er ist verantwortlich für den Tourismus im Dorf und wenn auch ernüchtert, trotzdem entschlossen. Er ist interessiert an unsere Meinung über das Dorf und zum Projekt und was man noch anders machen könnte.

Nicanor der lokale Reiseführer erklärt uns die Pflanzen in Oploca.
Nicanor, der lokale Reiseführer, erklärt uns die Pflanzen in Oploca. Er kennt Erich von Däniken.

Der lokale Reiseführer von Oploca Nicanor führt uns durch das Dorf. Ein Schmuckstück ist die Kirche aus dem 18. Jahrhundert mit nur einem Turm. Eine Legende besagt, dass Gott und Teufel eine Wette abgeschlossen haben. Der Teufel behauptete, eine Kirche in nur einer Nacht bauen zu können. Gott hielt dem entgegen und so konnte der Teufel die Kirche nicht fertig bauen, es fehlte noch der zweite Turm. Später hätten Dorfleute versucht, den zweiten Turm fertig zu bauen, es kam aber zu einem tödlichen Unfall. Seither wurde die Konstruktion nicht mehr angerührt. In der Umgebung von Tupiza existieren viele solche Legenden und Mythen. Auch sie sollen Teil des kulturellen Austausches mit den Touristen sein. Nicanor ist 49 Jahre alt. Eine Frau und Kinder habe er noch nicht, sagt er und erklärt, dass es mit seinem bisherigen Einkommen schwierig gewesen wäre, eine Familie zu ernähren und zeigt sich hoffnungsvoll, dass der Tourismus ihm nicht nur den ersehnten Geldsegen, sondern damit auch die Möglichkeit bringt, eine Familie zu gründen. Von Oploca wegzugehen, käme für ihn nicht in Frage. Er kümmert sich um seine Mutter. «Ich würde sie nie im Stich lassen», erklärt er. Ich wundere mich, als er von Erich von Däniken zu erzählen beginnt. Woher er den Schweizer, der behauptet Kontakt mit Ausserirdischen gehabt zu haben, denn kenne, will ich wissen. «Aus dem Fernsehen», erklärt Nicanor.

Der Dorfkirche von Oploca fehlt der zweite Turm. Teufelswerk, wie eine Mythos besagt.
Der Dorfkirche von Oploca fehlt der zweite Turm. Teufelswerk, wie eine Mythos besagt.

Die Frauen und Männer der Küche servieren uns ausgezeichnetes Essen. Wieder einmal essen wir viel zu viel, aber sehr frisch und gesund. Und ich stelle fest, dass ich noch nie so wenig Probleme mit meinem Magen hatte, seit ich in Bolivien bin, wie in diesen Tagen als wir hauptsächlich lokale Gerichte in den Dörfern essen. In Oploca erscheinen zum Projektabschluss ein paar Leute mehr als in Chuquiago. Da wir seit der offiziellen Präsentation von heute Morgen als «Representantes» der Deza durchgehen, werden wir ebenfalls von der Dorfbevölkerung verdankt und erhalten ein kleines handgefertigtes Präsent. Nun ist tatsächlich noch der Moment gekommen, indem wir eine Rede halten müssen. Natürlich tun wir dies als Privatpersonen, teilen unsere Eindrücke mit und sprechen den Leuten Mut zu.

Eine Trinkwasserleitung für das ganze Dorf

Das Dorf Torre Huayco verfügt erst seit kurzem über sauberes Trinkwasser.
Das Dorf Torre Huayco verfügt erst seit kurzem über sauberes Trinkwasser.

Torre Huayco ist die dritte «Comunidad» des Projektes. Auch hier wurde eine Herberge gebaut. Dem Dorf fehlte es allerdings an Trinkwasser. Bis anhin bezogen sie das Wasser aus dem nahen Fluss, welcher scheinbar kontaminiert ist. Da ohne sauberes Wasser keine Touristen kommen werden, finanzierte die Deza eine Trinkwasserleitung, die von den Bergen rund vier Kilometer ins Dorf führt. Wir treffen uns beim Ursprung der Leitung, wo das Wasser, das aus verschiedenen Richtungen aus dem Berg kommt in einem Becken gesammelt und gefiltert wird.

Zum ersten Mal wohne ich einer andinen Zeremonie bei. Bereits bei der Ankunft werden wir mit Knallern empfangen. Mit einem Ritual wird «Pachamama» (Mutter Erde in der Sprache Quechua) für das Wasser gedankt. Ein kleiner Altar wird aufgebaut, bestehend aus Tonkrügen, die mit Bier und Konfetti gefüllt werden und einem kleinen Feuer, auf dem Kokablätter verbrannt werden. Becher mit Chicha, einer Art Maisbier, werden verteilt.

Mit einer Zeremonie wir Pachamama für das Wasser gedankt.
Mit einer Zeremonie wird „Pachamama“ für das Wasser gedankt.

Es ist Usus, bevor man trinkt, zuerst einen Teil an «Pachamama» zu geben. Deshalb wird von dem Getränk etwas auf den Boden geschüttet. Wir werden mit Blumenkränzen geschmückt, zwei Dorfbewohner spielen während der ganzen Zeremonie auf der Flöte und der Pauke und es wird getanzt. Die Freude und Dankbarkeit über diese Wasserleitung ist sichtlich gross. Die ganze Zeremonie und die Emotionen berühren mich.

Wir fahren hinunter ins Dorf. Zuerst müssen wir aber vom Ausgangspunkt der Wasserleitung wieder den Berg hinauf zu den Fahrzeugen steigen. Der Aufstieg in dieser Höhe ist anstrengend, die Luft knapp. Das Kauen der Kokablätter, welche die Dorfbewohner an uns verteilt haben, hilft zwar, aber ich finde sie schmecken scheusslich.

Das Ritual wird von Pauken und Flöten begleitet.
Das Ritual wird von Pauken und Flöten begleitet.

Am Dorfeingang werden wir von Lamas empfangen, die ersten, die ich hier in Bolivien sehe. Bei der Herberge haben sich viele Menschen versammelt. Mit nur drei Zimmern ist sie die kleinste der drei Herbergen. Der Grund für den grösseren Auflauf als in den anderen Dörfern mag einerseits der Wochentag sein. Es ist Samstag. Andererseits ist er wohl auch darauf zurück zu führen, dass das Projekt hier bereits gut angelaufen ist. Rund 30 Gruppen von Touristen haben das Dorf schon besucht oder in der Herberge übernachtet. Torre Huayco ist eine herzliche Gemeinschaft, darunter sind ein paar initiative Personen, wie der Lehrer, der Tourismusverantwortliche und der Dorfführer, die zum Gelingen des Projektes beitragen. Auch das Wasserprojekt wird zum Engagement der Dorfleute beigetragen haben. Denn von dem sauberen Trinkwasser profitieren schliesslich nicht nur die Touristen, sondern das ganze Dorf. Welche Bedeutung diesem Tag beigemessen wird, realisieren wir schliesslich beim Essen. Die Feier wurde schon zwei Monate im Voraus vorbereitet und man hatte extra ein Lama geschlachtet.

Die Frauen bereiten das Festmahl vor. Für die Feier wurde ein Lama geschlachtet.
Die Frauen bereiten das Festmahl vor. Für die Feier wurde ein Lama geschlachtet.

Tourismus als Allheilmittel?
Es sind schöne und intensive Tage gewesen mit vielen herzlichen Begegnungen. Zusammen mit dem Deza-Mitarbeiter und der Botschafts-Praktikantin haben wir die gewonnenen Eindrücke immer wieder reflektiert. Ich finde das Projekt sinnvoll. Aber es birgt Risiken. Die Menschen in den Dörfern neigen dazu den Tourismus als Allheilmittel zu sehen. Es wäre schade, wenn sie sich den Touristen anpassen und ein Teil ihrer Identität und Kultur dafür aufgeben. Ich hoffe nicht, dass es in einem Jahr Hamburger und Pommes frites gibt, statt der lokalen Spezialitäten. Wir haben viel Fleisch gegessen in diesen Tagen. Der Deza-Mitarbeiter erklärt uns aber, dass viele der lokalen Gerichte fleischlos sind.
Dass die Deza das Projekt über ein privates Unternehmen wie «Tupizatours» ausführen lässt, mag anfänglich irritieren. Allerdings macht es praktisch gesehen Sinn. Der Tourismus ist das Kerngeschäft von «Tupizatours». Statt eine NGO zu bezahlen, was teurer gekommen wäre, wie der Deza-Mitarbeiter meint, und die keine Erfahrung in diesem Bereich hat, wird die bestehende Infrastruktur und das Know-how von «Tupizatours» genutzt. Etwa 60 Prozent der Touristen in Tupiza buchen über dieses Reisebüro. «Tupizatours» sollte aber neutral sein gegenüber den «Comunidades». Die Geschäftsführerin verheimlicht nicht, dass sie Torre Huayco favorisiert. In gewisser Weise sind die «Comunidades» auf das Wohlwollen von «Tupizatours» angewiesen. Inzwischen haben aber sieben weitere Reiseagenturen eine Zusammenarbeit mit den «Comunidades» unterschrieben. Somit sind sie nicht von «Tupizatours» alleine abhängig.

Man mag den Dorfleuten wünschen, dass das Projekt funktioniert.
Man mag es den Dorfleuten wünschen, dass das Projekt funktioniert.

Das Projekt verschafft ein paar Leuten eine Arbeit und gibt den Jungen eine Zukunftsperspektive im Dorf. Der gemeinnützige Aufbau der Tourismusunternehmen ist zwar keine einfache Form und kann wie im Fall von Chuquiago zu Konflikten führen, es ist aber zu hoffen, dass die Differenzen beigelegt werden können. Die Probleme wären wohl grösser, wenn nur ein Teil der Leute profitieren und der Rest der Dorfbevölkerung ausgeklammert würde. Ausflüge für Touristen hat es auf dem Gebiet der «Comunidades» bereits gegeben. Es ist deshalb richtig, dass nun die ansässige Bevölkerung direkt davon profitiert und nicht auswärtige Touranbieter.

Das grösste Risiko ist wohl, dass die «Comunidades» aufgeben, wenn die Touristen anfänglich ausbleiben. Man mag den Leuten wünschen, dass es funktioniert.

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