Tunis: ungemütliche Lage

Nationaler Trauertag nach Mord an Polizisten

Fahnen auf Halbmast:Nationaler Trauertag am 19. Oktober
Fahnen auf Halbmast: Nationaler Trauertag am 19. Oktober

Zwei Polizisten der tunesischen Nationalgarde sind am Donnerstag 17. Oktober bei einem Einsatz gegen eine bewaffnete Gruppe im Schusswechsel umgekommen. Ein dritter liegt schwerverletzt im Spital. Die Polizei-Einheit wollte in einer kleinen Ortschaft etwa 60 km von Tunis entfernt die gemeldete Gruppe kontrollieren und wurde vom Schusswechsel offenbar überrascht. “Wir waren klar in der Minderheit”, sagte ein verletzter Polizist gegenüber einer tunesischen Radiostation. Die Gruppe soll laut Innenministerium bis zu zwanzig Mann stark sein. Erstmals ist in dieser Gegend im Nordwesten von Tunis eine bewaffnete Zelle aufgeflogen. Waffen und Sprengstoffe wurden dabei entdeckt.

Zielscheibe Ordnungskräfte

Seit Ende Juli haben die tödlichen Angriffe auf die Einheiten des Militärs und der Polizei zugenommen. Ein Dutzend Soldaten und Polizisten sind bisher bei bewaffneten Angriffen im Landesinnern umgekommen, die meisten nahe der algerischen Grenze . Das Innenministerium beschuldigte als Täter wiederholt die Gruppe Ansar-Al-Charia, auch beim jetzigen Angriff auf die Einheit der Nationalgarde. Seit Ende August gilt die Salafistengruppe Ansar-Al-Charia in Tunesien offiziell als terroristische Vereinigung.

Misstrauensvotum gegen die Regierung

Am 18. Oktober wurde die beiden toten Nationalgardisten beigesetzt. Die Vertreter der provisorischen Regierung (Premierminister Larayedh, Staatspräsident Marzouki und Parlamentspräsident Ben Jaafar) waren an den Beerdigungsfeierlichkeiten nicht willkommen. Einzig der Innenminister konnte unbehelligt an der Abdankungs-Feier teilnehmen. Laute Proteste der Polizisten verhinderten den Auftritt der drei Regierungsvertreter. Es ist das erste Mal, dass sich die Einheiten der Polizei so offen gegen die oberste Staatsführung wenden. Die provisorische Regierung hat den Polizisten für ihre Verhalten mit Konsequenzen gedroht.

Nationaler Dialog startet am Jahrestag der Wahlen

Die politische Krise, die sich seit Ende Juli in Tunesien zuspitzt, wird gegenwärtig mit der Lancierung eines nationalen Dialogs zu lösen versucht. Er soll am 23. Oktober offiziell starten und wird automatisch zur Ablösung der jetzigen Regierung führen. Zahlreiche Störmanöver zu diesem runden Tisch, der alle Parteien in einen Plan zur Formung einer Technokraten-Regierung und der Organisation von Wahlen einbindet, sind erwartet worden.

Die Ermordung der beiden Polizisten ist der bisher schwerwiegendste Zwischenfall seit die Vorbereitungsarbeiten zum nationalen Dialog am 5. Oktober offiziell begonnen haben. Der 23. Oktober 2013 ist ein symbolisches Datum: Es ist der zweite Jahrestag der ersten freien Wahlen nach der Revolution im Januar 2011. Linke Oppositionsparteien haben die Bevölkerung an diesem Tag zu Strassenprotesten aufgefordert.

Anti-Terror-Einsatz in Bergregion

Das tunesische Innenministerium hat am 18. Oktober gegen die von ihr zur Terrorzelle deklarierten Gruppe eine Militäroperation gestartet. Der Einsatz ist mit Unterstützung aus der Luft erfolgt, Helikopter und Armeeflugzeuge waren im Einsatz. Bisher wurden vom Innenministerium neun tote Bewaffnete gemeldet, die Zahl wird als nicht abschliessend betrachtet, es gab auch Quellen die von 13 toten Kämpfern sprachen.

Auch über Tunis kreisen seit ein paar Tagen Helikopter. Auf den grossen Ausfallstrassen der Stadt sind Polizeisperren eingerichtet worden. Die Polizeipräsenz ist unübersehbar. Nachts sind die Strassen leer gefegt, niemand bewegt sich mehr aus dem Haus nach ca. 23 h. Stacheldraht schützt die Regierungsgebäude und Ministerien. Die Stadt ist ausgestorben, die Angst der Bürger vor terroristischen Angriffen in der Hauptstadt ist Dauerthema, ebenso die Befürchtungen in den Strassensperren der Polizei hängen zu bleiben. Für den 19. Oktober ist ein nationaler Trauertag ausgerufen worden, alle kulturellen Aktivitäten sind verschoben.

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