Und plötzlich war ich im Schlachthof

Das Essen in Tansania ist wunderbar einfach: fast täglich gibt es Reis oder Ugali, Bohnen, Gemüse und Fleisch mit Sosse. Ich wollte herausfinden, woher das Fleisch kommt und landete auf einem Viehmarkt und mit etwas Anlauf letztlich in einem Schlachthaus mitten in Dar es Salaam – eine kleine Geschichte hinter den Geschichten.

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Der Rindermarkt von Pugu liegt etwas ausserhalb des Stadtzentrums…

Es ist Montag (17. Oktober). Am Morgen um 07:00 drängen sich die Menschen im Daladala, das mich von Morocco nach Ilala bringt. Dort treffe ich Kizito, der mich heute als Übersetzer begleiten wird. Wir nehmen das nächste Daladala in Richtung Ukonga. Dort angekommen, geht es in einem Kleinbus mit 12 Sitzen weiter. Das Ziel ist der Pugu-Rindermarkt, am Stadtrand von Dar es Salaam. Nach einer etwas holprigen Fahrt, entlang von Baracken, Grundmauern noch zu bauender Häusern und ein paar Bäumen erreichen wir den Markt nach gut zwei Stunden Fahrt.

Auf dem Markt selbst dauert es keine zwei Minuten, bis mir der erste Händler ein Rind verkaufen will. Ich bin wohl der einzige Fremde, der sich an diesem Montag unter die Rindviecher und ihre temporären Besitzer mischt. Das Angebot muss ich ablehnen; ich wüsste nicht wohin mit dem Tier und würde es auch noch nicht zum Schlachter bringen, weil es für mein Verständnis zu wenig Fleisch auf den Rippen hat. Nach einem kurzen Rundgang über das Gelände gesellen wir uns zu einer Gruppe von Händlern, beginnen, mit Ihnen zu sprechen. Und es dauert nicht lange, bis Samuel auftaucht. Ein Beamter, der für das Funktionieren des Marktes zuständig ist. Er will wissen, was ich hier mache, warum ich mich für den Markt, die Tiere und die Händler interessiere. Nach einem kurzen eher holprigen Wortwechsel heisst er mich willkommen und zieht wieder von dannen.

Nun, da ich „offiziell“ willkommen bin, versuche ich, meine Fragen zu stellen. Doch ich muss warten, werde regelrecht kreuzverhört. Antoni, einer der Händler will alles wissen: ob ich verheiratet bin, Kinder habe, religiös bin. Und überhaupt, was ich von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften halte. Er will wissen, warum wir im Westen bzw. Norden so viel Geld haben und warum wir, die doch die christliche Religion nach Afrika brachten, nun so weit kommen konnten, das wir schwule und lesbische Paare gesellschaftlich akzeptieren.

Antoni Nteme, der neugierige und aufgeweckte Händler. Wenn er keine Frage stellte, lag das vor allem daran, dass er mit einem Abnehmer oder einem Verkäufer telefonierte...
Antoni Nteme, der neugierige und aufgeweckte Viehhändler. Wenn er keine Frage stellte, lag das vor allem daran, dass er mit einem Abnehmer oder einem Verkäufer telefonierte…

Irgendwann hat Antoni glücklicherweise Hunger und ich Gelegenheit, doch noch meine Fragen zu stellen. Dank der Unterstützung von Kizito, der sich bestens auf das jeweilige Gegenüber einstellen kann, gelingt es uns, zu erfahren, was Antoni antreibt, warum er auf dem Markt arbeitet und seit 16 Jahren verheiratet und Vater von fünf Kindern ist, seine Familie aber höchstens einmal im Jahr sieht.

Nach dem Essen prasseln erneut Fragen auf mich ein, als wir uns zu ein paar Händlern unter einem Baum gesellen, die auf ihren Einsatz bei der später stattfindenden Auktion warten. Nach einer Weile wird es ruhiger, mit ein paar Selfies von sich und einem Mzugngu (Fremder) in der Tasche zotteln die meisten zufrieden von dannen. Sie treiben ihre Rinder zusammen und gehen auf den Marktplatz, wo die Tiere letztlich feilgeboten werden.

Ein Gruppenfoto durfte natürlich nicht fehlen, bevor es wieder an die Arbeit ging...
Ein Gruppenfoto durfte natürlich nicht fehlen, bevor es wieder an die Arbeit ging…

Wir folgen den Herren und finden uns inmitten von Rindern und feilschenden Händlern wieder. Nach einer Weile gehen wir weiter, zur Verladerampe und beobachten, wie harsch man hier mit den Tieren umgeht, wenn sie nicht einsteigen wollen.
Irgendwie gelingt es Kizito, einen Chauffeur zu überzeugen, uns doch zum nächsten Schlachthaus mitzunehmen. So geht es dann mit 70 Rindern und ein paar Arbeitern auf der Ladefläche von Pugu nach Vingunguti zum Schlachthaus.

Dort angekommen, wird uns allerdings beschieden, dass wir ohne offizielle Genehmigung keinen Einlass in die heiligen Hallen (oder besser: in den heiligen Unterstand) erhalten. Für diesen Tag ist Endstation.

Am Dienstag bereitet meine Chefin, Janet, für mich einen Brief vor, in dem sie erklärt, wer ich bin und warum ich das Schlachthaus von innen und während dem Betrieb sehen will.

Am Mittwoch fahren wir erneut nach Vingunguti um mit dem verantwortlichen Manager zu sprechen. Wir wissen zwar, das es eigentlich die Verwaltung des Stadtteils ist, die für die Bewilligung zuständig ist, wollen aber zuerst unser Glück auf der darunter liegenden Hierarchiestufe versuchen. Man weiss ja nie, vielleicht ist es weniger kompliziert als erwartet. Leider ist das nicht der Fall, ich werde an die Verwaltung von Ilala verwiesen. Um zehn Uhr vormittags des gleichen Tages stehen wir vor dem weissen Gebäude und fragen nach der Pressesprecherin. Sie ist tatsächlich verfügbar und gewährt mir eine kurze Audienz.
Mit dem Brief, meiner ID und meinem Agrarjournalisten-Ausweis ist sie überzeugt und gewährt mir die Bewilligung – mündlich. Ich bin zufrieden, verlasse das Amt und gehe etwas essen. Das Herumfahren macht hungrig.

Am Donnerstag fahren wir erneut zum Schlachthof um die Details zu klären. Der Manager ruft die Pressesprecherin an, fragt, ob sie tatsächlich die Zustimmung gegeben hat. Sie ist erreichbar, bestätigt ihre Zusage. Tatsächlich dürfen wir in der kommenden nacht dabei sein, wenn gearbeitet wird.

Am Freitagmorgen um 2:00 werden Kizito und ich von Mr. Fred, meinem treuen aber etwas teuren Taxifahrer, abgeholt und nach Vingunguti gefahren. Dort angekommen sehen wir, wie die Rinder geschlachtet, gehäutet, ausgenommen, zerlegt und verkauft werden. Auch hier bin ich der einzige Mzungu, der mitten in der Nacht inmitten von Schlachtkörpern, Mägen und lebenden wie toten Rindern herumstolpert (hier geht es zu ein paar Details auf meinem privaten Blog). Spannend war es trotzdem. Nur die Geschichten müssen noch erzählt werden…

Das Corpus Delicti - ein Vorderviertel eines Rindes, bereit für die Fleischinspektion...
Das Corpus Delicti – ein Vorderviertel eines Rindes, bereit für die Fleischinspektion…

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