Wo ist Ekeko?

Nach langem Tauziehen sei die kleine Ekeko-Steinfigur zurück in Bolivien, meldet das Bernische Historische Museum. Doch eine Recherche zeigt: Noch ist es nicht soweit.

Es war eine Begegnung gewesen, an die ich noch oft zurückgedacht habe: Im April dieses Jahres traf ich David Choquehuanca, den bolivianischen Aussenminister. Er war aus einem einzigen Grund nach Bern gekommen: wegen der «Illa del Ekeko», dem «Geist des Ekeko», einer keine 16 Zentimeter grossen, um die 2000 Jahre alten Statue, die im Historischen Museum in Bern seit 1929 hinter einer Glasscheibe wenig Beachtung gefunden hatte – bis die bolivianische  Botschafterin sie 2012 bei einem Besuch entdeckte. Der bolivianische Aussenminister im April in Bern. Von da an gab es für die Regierung Boliviens, die sich die Rückbesinnung auf indigene Werte und Traditionen und das Kitten der durch die Kolonialisierung verursachten Schäden weit oben auf die Fahne geschrieben hat, ein grosses Ziel: den Ekeko zurückholen. „Unser Ekeko weint. Er möchte nach Hause“, sagte der Minister in Bern. Ein Tiger könne auch nicht im Meer leben. Und der Ekeko, der gehöre auf den Altiplano. Das Museum und der Aussenminister einigten sich, Expertengutachten einzuholen – und dann zu entscheiden, ob die kleine Statue wieder nach Bolivien kommt. Bei meiner Ankunft in La Paz merkte ich bald: Die Figur des Ekeko, die für Wohlstand und Überfluss steht, hat hier tatsächlich für viele eine grosse Bedeutung. Manche Aymara-Familien haben einen kleinen Ekeko zu Hause, dem sie jeden Freitag Cocablätter zu Kauen geben und eine Zigarette und zu Essen und zu Trinken. Im Gegenzug sollen sich ihre materiellen Wünsche erfüllen – ein Haus, ein Auto, ein Fernseher, was auch immer. Doch Vernachlässigung gefällt dem Ekeko offenbar ebenso wenig wie anderen Haustieren. Und so müssen etwa Familien, die verreisen, Nachbaren oder Freunde beauftragen, am Freitag für das Wohl des Männchens schauen zu gehen. Sonst brauchen sie sich nicht zu wundern, wenn in Bälde ihr Auto oder ihr Fernseher aussteigt.

Was sich mir aber auch zeigte: Von jenem kleinen Figürchen, das in Bern im Museum stand, wussten die Allermeisten hier in La Paz gar nichts. Ihre visuelle Vorstellung von  Ekeko ist eine andere. Hier ein kleiner Vergleich zwischen dem „Berner Ekeko“ (links) und einem Exemplar, wie es typischerweise in einem bolivianischen Haushalt steht:

BHM_Steinfigur_1_medienekeko 2

Es ist also mitnichten so, wie die Worte des Herrn Minister im Frühling vermuten liessen: Dass hier ein ganzes Volk nicht mehr ruhig schlafen kann, bis der Ekeko endlich wieder zu Hause ist. Und so ging es auch ein bisschen länger, bis man in La Paz erfuhr, dass er nun tatsächlich wieder zurückkommt. Am Donnerstag teilten das Berner Museum und die Bolivianische Botschaft nämlich mit, man habe eine Win-Win-Lösung gefunden. Obwohl wissenschaftliche
Experten der präkolumbianischen Kultur festgehalten hätten, dass die Steinfigur nicht die männliche Gottheit Ekeko, sondern vielmehr eine weibliche Gestalt darstellen dürfte, habe man die
sie dem Museo Nacional de Arqueología in La Paz übergeben. Dort sei sie somit ab sofort einer breiten Öffentlichkeit zugänglich.

Direktor Julio Balliván neben Reliquien aus der präkolumbianischen Zeit.Womit die Verantwortlichen des Museums und der Botschaft kaum rechneten: Der Bund schickte umgehend seinen Sonderkorrespondenten los, der keine drei Blocks entfernt vom Archäologiemuseum lebt, um zu überprüfen, ob der Ekeko tatsächlich heil dort angekommen ist. Im Museum war weit und breit kein Berner Ekeko zu sehen, und der Direktor Julio Balliván wusste von nichts, wie man darauf im Bund ebenso wie in Página Siete und – recyclet – auch noch in 20 Minuten nachlesen konnte. Offenbar ist das Figürchen noch unterwegs und sollte in einigen Tagen in La Paz eintreffen.  Wir bleiben dran.

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