Zensur, mangelnde Erreichbarkeit und Existenzängste: Über die Umstände der journalistischen Arbeit in Tansania

Gerne würde ich die Sache totschweigen, aber weil sich die Arbeitsbewilligung wohl oder übel zum roten Faden dieses Blogs entwickelt hat, halt doch ein paar Worte: Beim Information Service in Dodoma ist man sich offenbar unsicher, wie zu verfahren ist. Nun überlegt man sich, auch noch das Ministerium für Industrie und Handel einzuschalten. Das wären dann zwei verschiedene Information Offices, die Migrationsbehörde sowie das Industrieministerium, die sich inzwischen um meinen Fall kümmern. Halleluja!

Natürlich wäre es neckisch, wenn ich den Presseausweis rechtzeitig für den Rückflug hätte, doch so richtig rechne ich nicht mehr damit. Deshalb nun mal einige Beobachtungen zum journalistischen Alltag hier. Zusammengefasst würde ich sagen: Wir Journis sind in der Schweiz nicht so schlecht aufgehoben.

Erstens: Die journalistische Freiheit. Wie bereits angetönt, reagiert die Regierung in Tansania sehr empfindlich auf Kritik. Vier Zeitungen, die jüngst kritisch berichtet hatten, wurden wegen „falschen Informationen“ verboten. Logischerweise hat das einen Einfluss auf den Inhalt der Texte. Selbst wenn einzelne Journalisten weiterhin willens sind, kritisch zu berichten, werden die Artikel nicht in derselben Schärfe gedruckt. Schliesslich will das Management nicht die Existenz der Zeitung aufs Spiel setzen. Die Resultate sind vielfältig und manchmal abstrus. Es gibt kritische Artikel, die bis heute nicht gedruckt wurden; es gibt Kompensationskommentare am Folgetag; und es gibt peinliche Anbiederungsversuche. Auch scheinen mir die Texte häufig regierungsfreundlich aufgemacht. Titel, Lead und Quotes fallen meistens deutlich positiver aus als der Text selbst. Sehr seltsam finde ich auch die Appelle der Regierung an die Medien, die staatliche Agenda „zum Wohle des Landes“ zu unterstützen. Soweit ich die Funktion der Medien verstanden habe, unterstützen diese das Wohl eines Landes am besten, indem sie die Politik kritisch begleiten. Die Regierung scheint das anders zu sehen.

Fairerweise muss man sagen, dass es noch immer Raum für kritische Berichterstattung gibt. Gerade die Gastkommentare sind manchmal von einer Schärfe, die überraschen. Offenbar können sich Kolumnisten mehr erlauben, da sie nicht direkt dem Management der Zeitung unterstellt sind. Illustrativ war auch eine grosse kritische Geschichte, die zwar im englischsprachigen Citizen erschien, nicht aber im swahilisprachigen Mwananchi, der eine deutlich höhere Auflage hat. Andere Zeitungen verzichteten ganz auf die Publikation. Deutlicher könnte man die Gratwanderung der Redaktionen (die eigentlich gewillt sind, kritisch zu berichten) nicht aufzeigen.

Neben der Politik kommt ein zweiter Faktor erschwerend hinzu: die Besitzverhältnisse. Nicht wenige Medien werden von einzelnen Personen dominiert. Im Falle des Citizen ist das Aga Khan, der über seine Holding 45 Prozent am Mutterkonzern des Citizen hält. Wenn der Unternehmer und Religionsführer nach Tansania kommt, erscheint er an drei aufeinanderfolgenden Tagen dreimal gross mit Bild. Kritische Berichterstattung zu seinen Spitälern ist unerwünscht. Angeblich soll er auch schon interveniert haben, nachdem ein Artikel zu Rihanna erschienen war. Er scheint sie nicht zu mögen.

Zweitens: Die Hierarchien. Natürlich beklagen wir uns in der Schweiz gerne über die mangelhafte Mitsprache der Journalisten. Doch im Vergleich zu Tansania erinnert eine Schweizer Redaktion an ein Kollektiv. Illustrativ war der Relaunch der Zeitung von letzter Woche. Die Änderungen sind markant, trotzdem tappte die Redaktion bis vor einigen Wochen komplett im Dunkeln, was die Führungskräfte ausgeheckt hatten. Als der Chefredaktor zwischen Stuhl und Bank kürzlich mit unserer Teamchefin plauderte, wurde das Ausmass der Änderung erst klar. Nachdem einige vom Team ihre Besorgnis ausgedrückt hatten, stimmte er einer seriösen Sitzung am nächsten Tag zu. Stattgefunden hat sie bis heute nicht. Dazu kommt, dass viele Geschichten top-down an die Journalisten runtergereicht werden. Auch die Personalführung scheint mir eher autoritär. Wegen des Relaunches strich das Management kurzerhand die freien Tage der Mitarbeiter.

Drittens: Die technische Ausrüstung. Auf einigen Pulten stehen Telefone, doch diese funktionieren ausschliesslich intern. Das war einst anders, wurde aber für private Zwecke missbraucht. Immerhin hat jedes Team ein Natel für externe Anrufe zur Verfügung. Direkten Anschluss an einen Drucker gibt es nicht. Wer ein Dokument ausdrucken will, fragt die Sekretärin oder die IT. Die Computer, das Internet und das Redaktionssystem funktionieren vergleichsweise gut, und nimmt man die überlebenswichtige Klimaanlage dazu, ist die Ausrüstung insgesamt besser als erwartet.

Viertens: Die Erreichbarkeit der Kontaktpersonen. E-Mails werden hier kaum beantwortet und telefonisch durchzudringen, ist auch nicht immer einfach. Vorzugsweise geht man deshalb vorbei. Hier stellt sich indes das Problem, dass die Adresse nicht immer klar ist (wenn es denn eine gibt). Termine werden hier zudem locker gehandhabt. Kurzfristige Absagen gehören zur Tagesordnung, die abgemachten Zeiten sind relativ zu verstehen. Schön hingegen ist die Kultur des Gegenlesens. Meist lässt man es einfach bleiben, und wenn man es tut, intervenieren die befragten Personen kaum je.

Fünftens: Die Bezahlung. Ein etablierter Redaktor verdient hier etwa 10 Dollar pro Tag, halbfreie Korrespondenten etwa die Hälfte. Auch wenn das Leben hier spottbillig ist, kommt man damit nicht unbesehen über die Runden. Dementsprechend verlockend ist es, sich kaufen zu lassen. Einer Journalistin wurden zusammen mit einer Medieneinladung kürzlich 50 Dollar angeboten, wenn sie denn an der Konferenz teilnimmt. Gerüchten zufolge soll der Artikelkauf Gang und Gäbe sein, auch wenn selbst niemand das Geld annehmen will.

Ohne Zweifel sind die Umstände der journalistischen Arbeit in Tansania schwierig. Doch umso wichtiger ist sie. Arbeitet man in Tansania als Journalist, beschäftigt man sich mit den grossen Themen der Politik: Mordanschläge auf Oppositionspolitiker, Verhaftungen von Dissidenten, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit, umfangreiche Korruptionsfälle und gewaltsame Konflikte in den Nachbarländern. Auch wenn ich in der Schweiz gerne über das Poststellensterben, den CBD-Hanf oder die bilaterale Anerkennung technischer Normen schreibe: Die diskutierten Fragen in Tansania scheinen mir deutlich fundamentaler – und umso reizvoller für einen Politjournalisten.

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