Auf der Suche nach dem Underground

Abgesehen von Lieferanten für gute Musik und Konzerte sind Szenen abseits des Mainstreams meistens auch gute Seismographen dafür, was Subkultur und Jugend gerade politisch so bewegt. Gleich zu Beginn meines Aufenthalts in Nepal habe ich deshalb versucht, Zugang zu eben diesem Underground zu finden. Zunächst, indem ich eine der Mitbegründerinnen der hiesigen Punkszene und Betreiberin des Infoladens mit Mails bombardierte, dann, indem ich Bands und Labels aufspürte und in den Sozialen Medien verfolgte. Irgendwann schaffte ich es.

Underground, Overground, egal. Dem Publikum gefällts.

Punkkonzert: Ein dunkler, verrauchter Keller, alle trinken Bier aus Dosen und trotz mangelnden Sauerstoffs ist man ein bisschen froh um den Zigarettenrauch, denn sonst würde es vielleicht nach noch weniger angenehmen Dingen riechen. In etwa so sehen meine Vorstellungen aus, während wir unterwegs zu irgendeiner Adresse im Stadtteil Patan sind, an der heute mehrere Konzerte stattfinden sollen. Laut Google befindet sich hier aber kein offizielles Konzertlokal.

Als wir ankommen, scheint die Sonne hell vom Himmel, es ist schliesslich auch erst 2 Uhr nachmittags. Keine Spur von Konzertlokal: Wir stehen auf einem kleinen Platz zwischen Wohnhäusern und einem Hindu-Tempel. Mit farbigen Tüchern und Schnüren ist ein kreisförmiger Platz vor einem Haus abgegrenzt, der das Konzert“gelände“ markiert. Wir zahlen je 400 nepalesische Rupien Eintritt und treten zwischen den Tüchern hindurch. Das Publikum ist noch sehr überschaubar: ein paar Leute in mehrheitlich dunkler und Jeans-Kleidung, einige mit aufgenähten Patches, ein paar der allgegenwärtigen Northface-Klamotten und einige Shirts nationaler und internationaler Bands. Der Platz vor der Bühne ist noch leer, lediglich ein paar kleine Kinder rennen aufgeregt herum.

Sie sind denn auch die einzigen, die tanzen, als die erste Band die Bühne, also die Terrasse eines alten Holzhauses, betritt. Es sind die Badeggs, die da spielen, ein Trio, das vielleicht aus der Stadt Dharan angereist ist und deren Sound so Punk ist, das es eine wahre Freude ist. Die Soundanlage ist maximal mittelmässig, das passt ganz gut. Der Sänger, ein Typ mit halblangen Haaren, Stiefeln und Jeans-Gilet, schreit und redet unregelmässig auf Nepali ins Mikrofon und es ist zunächst unklar, ob das so beabsichtigt ist. Später wird sich herausstellen, dass er einfach unglaublich betrunken war. Stilsicher. Aber ja, das zahlenmässig bescheidene Publikum freuts, vor allem die Kinder, sowieso die wahrsten Punks im Herzen, die sichtlich Spass und auch gute Moves drauf haben. Worum es inhaltlich in den Text geht, bleibt mangels Sprachkenntnissen leider im Dunkeln. „Fuck Politics“, wird uns Badeggs-Sänger später erzählen, das sei im Allgemeinen der Inhalt all seiner Songs.

Nach einem ersten, recht kurzen Konzert von maximal dreissig Minuten (der Mischer schaltet irgendwann das Mikrofon des Sängers aus, der gerne weitermachen würde), geht es fast nahtlos weiter. Eine Band nach der anderen übernimmt die Bühne, welche genau ist wiederum mangels Sprachkenntnissen unklar, ab und zu wechselt auch nur ein Teil der Besetzung oder vielleicht spielen einfach alle ein bisschen mit allen, es ist eigentlich auch egal. Abgesehen von den Badeggs treten mit Sicherheit Toerag und Youth Unite auf. Ein bisschen Punk, ein bisschen Grindcore.

Keine Schlägerei, nur Spass.

Kurz nach Beginn des zweiten Konzerts bringen sich die ersten Moshpit-Freudigen in Position und die Kinder werden in Sicherheit gebracht. Minuten später ist das aus mittlerweile etwa fünfzig Personen bestehende Publikum grösstenteils am tanzen und herumspringen, ab und zu sieht es aus wie eine Schlägerei, immer mal wieder landet irgendwer am Boden und wird sofort hochgezogen. Irgendwann fliegt eine Person in die Tücher und die Absperrung fällt in sich zusammen. Neben dem Tempel haben sich Anwohner:innen allen Alters versammelt, viele von ihnen in traditioneller Kleidung, sie scheinen das Spektakel dieser mutmasslich Verrückten, die da zum Lärm herumspringen, zu geniessen.

Als das Mini-Festival nach etwa zweieinhalb Stunden zu Ende geht, ist es noch immer hell und die Stimmung ausgelassen. Während Bands und Organisator:innen zusammenräumen, kommen wir mit ein paar Leuten ins Gespräch und erfahren, dass das nächste Konzert schon am Montag stattfindet. Und haben das Gefühl, dass wir vielleicht schon bald ein bisschen dazu gehören zum Nepali Underground. Bleibt noch, herauszufinden, wie politisch diese Szene ist.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert