Hallo, Myanmar!

Wie mich eine Recherche unverhofft doch noch nach Myanmar bringt. Zu einem Krankenhaus in Kayin-State.

Mein Samstagmorgen beginnt damit, dass ich in ein Auto einsteigen soll und nicht weiss in welches. Manche stehen minutenlang am Strassenrand und lassen den Motor laufen. Das macht man hier so. Irgendwann lässt ein Mann die Autoscheibe seines PickUps herunter und spricht mich an: Mae Salit?

So heisst der Ort, an den ich will, und ich klettere auf den Beifahrersitz. Ich will dort eine Psychiaterin und einen Arzt aus Kayin-State treffen, eine Provinz im Süden Myanmars. Sie kommen extra mit dem Boot auf die thailändische Seite, um mir von ihrer Arbeit im Spital zu erzählen.

Der Moei trennt Myanmar von Thailand

Zwei Stunden folgen wir dem Flusslauf des Moei in den Norden, der Grenze zu Myanmar. Vorbei am langen Zaun des Mae La Camp, in dem etwa 30.000 Geflüchtete aus Myanmar leben, vorbei an mehreren Checkpoints. Mein Glück: Die Beamten stellen keine Fragen. Weil ich mit einem Touristen-Visum in Thailand bin, bin ich froh, dass niemand wissen will, was ich hier mache, wo nur selten Tourist:innen durchkommen.

An meinem Fenster zieht eine grüne Hügellandschaft vorbei. Das ist Myanmar. 

Als wir ankommen haben die beiden Ärzt:innen schon den Beamer aufgebaut. Dr. Hnin ist Psychiaterin und so alt wie ich. Sie und ein Team von acht Ärztinnen versorgen 40.000 Menschen. Die Region in Kayin-State ist schwer erreichbar und riesig: Allein etwa eine Million Vertriebene leben dort. Zahlen zur allgemeinen Bevölkerung gibt es keine. Es kommen Menschen, die verletzt sind wegen Landminen oder Verkehrsunfällen, Menschen mit Tuberkulose oder HIV.

Als ich alle meine Fragen gestellt hab, fragen sie mich, ob ich das Spital sehen möchte.

Und dann geht alles ziemlich schnell.

Mit der Fähre nach Myanmar

Wir steigen wieder in einen PickUp. Ein Fahrer und ranghoher Mitarbeiter der Karen Health Networks sitzen vorne. Ich hinten in der Mitte zwischen den zwei Ärzt:innen. Die Fenster sind mit Folie verdunkelt und auf der Ladefläche des Pickups sind kleine Bäume geladen. So sollte mich niemand sehen können, erklären sie mir. 

Wir queren den Fluss auf einer improvisierten Fähre: eine Plattform auf Fässern, gehalten von grünen Metallträgern. Neben dem Fährmann hängt eine Hängematte. Der Motor dröhnt. Dr Hnin und ihr Kollege sind aufgeregt. Normalerweise nehmen sie ein Longtailboat, um auf die andere Seite zu kommen. Die Fähre sei für den LKW-Transport, aber ich sei halt VIP. 

Die Thailändischen Behörden tolerieren die Longtailboote der Karen, weil die ethnische Minderheit seit Jahrzehnten auf beiden Seiten des Flusses lebt – in Myanmar und auf thailändischer Seite.

Dann sind wir drüben. Ich bin in Myanmar. Der Pickup passiert einen Checkpoint und müht sich bergauf. Die Regenzeit hat tiefe Gräben in die schlammigen Strassen gewaschen. Wir kommen an Bambushütten auf Stelzen vorbei. Dr Hnin zeigt auf die einzige Bar in der Siedlung: Sie heisst Butterfly und ist geschlossen. 

Ein Krankenhaus mit dem Nötigsten

Auf einer Anhöhe erreichen wir das Spital: Drei Betongebäude in Pastellblau. Vor den Türen liegen Strassenhunde. Ein Kind mit Venenkatheter auf dem Handrücken hält sich an seiner Mutter fest. In einem Gebäude sehe ich etwa zwölf Betten mit Plastik überzogen. Ein weiteres Gebäude ist noch eine Baustelle. Hier sollen sich  in Zukunft Landminenopfer erholen können. Die Hängematten im Rohbau sind schon jetzt belegt mit schlafenden Männern.

Dann zeigt mir Dr. Hnin das Gebäude, in dem sie arbeitet. Draussen reihen sich Plastikstühle aneinander, das Wartezimmer. Hinter einer Plexiglasscheibe am Eingang türmen sich Medikamente, von denen das Ärzteteam im Spital immer viel zu wenig hat.

Die meisten Menschen, die bei Dr. Hnin im Behandlungszimmer landen, wollten gar nicht zu ihr. Sie sind wegen Schmerzen ins Spital gekommen. Diese werden dann an sie weiter verwiesen, weil die behandelnden Ärzte zum Beispiel eine Alkoholsucht diagnostizieren oder der Verdacht auf Suizidgefahr besteht. Doch das Stigma, über mentale Probleme zu sprechen, ist noch immer gross. Deswegen kommen auch die wenigsten ihrer Patient:innen zu einem zweiten Termin zurück.

Sucht ist ein grosses Thema, viele Menschen in der Region sind alkoholkrank oder drogenabhängig — aber andere Probleme sind drängender. Erst vor kurzem sei nur 15 Kilometer vom Krankenhaus entfernt eine Bombe eingeschlagen.

Meine Recherche in Kayin-State wurde bei Frontier Myanmar veröffentlicht und ist hier online zugänglich.

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