Hübsch machen für den grossen Nachbarn

Erstmals seit 23 Jahren besuchte ein chinesisches Staatsoberhaupt Nepal. Es gab Momos, eine vielversprechende Traktandenliste und viel gegenseitige Zuneigung.

Man fühlte sich ein bisschen beobachtet, die letzten Tage in Kathmandu. Überall hingen Bilder des chinesischen Präsidenten Xi Jinping und der nepalesischen Präsidentin Bidhya Devi Bhandari.

Müllwagen eimerten durch die Strassen, Arbeiter auf Bambusleitern strichen Mauern, Blumenbeete wurden aufgestellt, Frauen fegten Plastikmüll von den Trottoirs: Kathmandu war in den letzten Tagen kaum wiederzuerkennen. Die Stadt, die sonst vor allem für Luftverschmutzung, Staus und Abfallberge bekannt ist, hat sich rausgeputzt. Rausgeputzt für Xi Jinping.

Der chinesische Präsident hat Nepal dieses Wochenende einen zweitägigen Besuch abgestattet. Es standen Gespräche mit Regierungsvertretern und der nepalesischen Präsidentin Bidhya Devi Bhandari an. Während beim Treffen zum Ärger einiger nepalesischen Food-Aficionados abgesehen von Momos und Kwati (Bohnensuppe) fast nur ausländische Gerichte aufgetischt wurden, herrschte Zuversicht bis Euphorie, was die politische Menükarte anbelangte. Es ging unter anderem um den Zugang für Nepal zu chinesischen Frachthäfen und um zahlreiche Infrastrukturprojekte im Rahmen der Belt and Road Initiative, zu welcher sich Nepal 2017 bekannt hatte. Wie am Montagmorgen bekannt wurde, hat China Nepal unter anderem zugesichert, den Bau einer Eisenbahn zwischen Kathmandu und Tibet voranzutreiben und die Errichtung einer neuen Universität finanziell zu unterstützen.

Lieber keine Fotos

Keine Überraschung also, dass Nepal, ein Land, das in den internationalen Rankings zur Produktivität im hintersten Viertel der Plätze rangiert, bei diesen Aussichten noch einen draufgesetzt bei den Vorbereitungen auf diesen Besuch. Viele Hauptstrassen waren beidseitig mit Porträts der beiden Staatsoberhäupter gesäumt. Chinesische Flaggen wehten neben den rot-blauen Zacken Nepals. Alle 500 Meter überspannte ein roter Torbogen die Strasse, darauf Slogans zu lesen wie «Long live Nepal-China Friendship», und alle 50 Meter standen Polizisten mit Gewehren und Schlagstöcken. «Photos not allowed», wies mich einer der Polizisten zurecht, als ich die Propaganda in ein paar Bildern festhielt.

Blumen auf Kathmandus Strassen – das hätte ich mir noch vor ein paar Tagen in meinen wildesten Träumen nicht vorstellen können. (Entweder war die «No photos»-Regel nur eine Laune des Polizisten oder er vergass schlicht, mich aufzufordern, die bereits gemachten Bilder zu löschen… 🙂 )

Der Grund, warum Nepal China so sehr gefallen möchte, und warum China das durchaus schmeicheln dürfte, liegt vor allem in den jüngsten Entwicklungen der nepalesischen Aussenpolitik. Kulturell und historisch sowie auch geographisch ist Nepal mit seiner im Süden abflachenden Topologie Indien viel näher. Rund 80 Prozent der Nepalesen sind Hinduisten und viele Transportwege führen durch die Ebenen des Terai zu Indien. Doch die enge Beziehung wurde angesichts des Grössenunterschieds der beiden Länder im Laufe der Zeit zu einem Abhängigkeitsverhältnis, dessen sich Nepal spätestens 2015 schmerzlich bewusst wurde.

Nepal hatte damals gerade eine neue Verfassung verabschiedet, gegen welche sich die ethnische Minderheit der Madhesis, welche beidseits der indischen und nepalesischen Grenze lebt, stark gewehrt hatte. Die Madhesis kritisierten, dass ihnen nicht genügend Sitze im Parlament zugestanden wurden und lancierten gewaltvolle Proteste. Indien reagierte darauf gereizt, weil es fürchtete, die Proteste könnten sich ausbreiten. Es kam zu einer Grenzblockade, an welcher Nepal Indien die Schuld gab und Indien wiederum den Madhesis.

Die Blockade traf Nepal, das ein halbes Jahr zuvor von einem Erdbeben der Stärke 7.8 erschüttert wurde, hart. Monatelang gelangten kaum Baumaterialien, Benzin und Medikamente ins Land. Die Blockade wurde erst aufgehoben, nachdem Nepal einige – wenn auch kleine – Verfassungsänderungen zugunsten der Madhesis vorgenommen hatte.

In der Folge wollte sich Nepal von Indien emanzipieren und suchte in China einen neuen Partner. Im Gegensatz zu Westeuropa, wo Chinas wirtschaftliche und ideologische Expansionen durchaus auch mit Skepsis wahrgenommen wird, sehen hier in Nepal, wo Geld für dringend gebrauchte Infrastrukturprojekte oft fehlt, viele vor allem die Chancen, die der Wirtschaftsriese dem kleinen Nepal eröffnen kann. Das dürfte auch der Grund sein, warum die doch einigermassen heuchlerischen Anstrengungen des Landes, China zu gefallen, selbst von liberalen Pressetiteln wie der Kathmandu Post und The Himalayan Times erstaunlich wenig kritisiert werden.

Annäherung mit ungewissem Ausgang

Während sich Nepal wirtschaftlichen Aufschwung erhofft, dürfte es für China bei dieser Annäherung aber um mehr als Handel und Infrastruktur gehen. Erst vor ein paar Wochen hat die kommunistische Partei Chinas der Communist Party Nepal, welche auch hier Regierungspartei ist, einen zweitägigen Strategie- und Ideologie-Workshop gegeben. «Xi Jinping Thought», hiess der Anlass, unter dessen Namen auch in China selbst Propaganda betrieben wird. Dies war dann vielen politischen Beobachtern doch zu viel. Ein regelmässiger Kolumnist der Kathmandu Post schrieb etwa «Nepal has only recently escaped from the shackles of autocracy – the Xi Thought has no place here.» Und der Chefredaktor nannte den Anlass ein Versuch, die chinesische Doktrin nach Nepal zu exportieren.

Mit Werbeanzeigen begrüssten auch Verbände und Firmen den chinesischen Präsidenten.

Ob wirtschaftlich oder auch politisch: die Annäherung der beiden Länder wird durch Xi Jinpings Besuch sehr wahrscheinlich rapide weitergehen und langfristige Veränderungen in Nepals Aussenpolitik mit sich bringen. Eher kurzfristig dürfte der Effekt dieses Besuch auf Kathmandu’s Strassen gewesen sein. Der Dreck und der Lärm werden innert wenigen Tagen zurückkehren, da sind sich hier die meisten Nepalis sicher.

 


Mehr Bilder vom Facelifting Kathmandus gibt es hier.

 

 

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