If you need anything just call me..
Als ich nach mehreren Stunden Horrorflug in Dhaka angekommen bin, war ich innerlich darauf vorbereitet, eine ähnliche Situation vorzufinden wie ein Jahr zuvor in Indien. Ich bin letztes Jahr für mehrere Monate durch Indien gereist und dachte dementsprechend ich wüsste ungefähr, was mich hier erwarten würde.
Doch als ich aus dem Flughafengebäude trat, war da nichts von dem, was ich erwartet hatte. Keine lärmende Masse von Menschen, keine Rikschahfahrer, welche mich bedrängten und „anschrien“ ich solle mit ihnen fahren, wie das bei meinem ersten Eindruck von Delhi (welcher sich auch nach mehreren Monaten nicht bessern sollte) der Fall war. Einzig das bekannte Hupen der unzähligen Busse, Autos und CNG’s (Gasbetriebene Motor- Rikschas, der Begriff Rikscha wird nur für Fahrrad- Rikschas verwendet), welches man aus fast jeder Grossstadt Asiens kennt war zu hören. Ein wenig überrascht machte ich mich ausserhalb des Flughafengeländes auf die Suche nach einem CNG, um zu meiner Wohnung zu gelangen, welche ich schon zu Hause im Internet gefunden hatte. Mein Vermieter hatte mir einen ungefähren Preisrahmen genannt, was die Fahrt zu meinem neuen Zuhause kosten sollte. Ich war mehr als überrascht, als ich den Fahrer nach kurzem hin und her verhandeln tatsächlich auf dem tiefsten Betrag hatte. Die CNG’s und Taxis haben eigentlich alle Taxameter, aber sie zu benützen käme keinem Fahrer in den Sinn, weshalb eigentlich für fast alles was man erwerben möchte, hart verhandelt werden muss. Allerdings geschieht dieses Ritual auch immer unter lachen und scherzen.
Nach einigem suchen und herumfragen (welches zeitweise bis zu acht Menschen beschäftigte), war dann auch meine kleine aber feine Wohnung auf dem Dach eines sieben Stöckigen Wohnhauses gefunden und ich konnte ein wenig Schlaf nachholen. Am Nachmittag machte ich mich auf den Weg, um mich in der Redaktion vorzustellen. Da ich gerade zu einem ungünstigen Zeitpunkt kam, wurde ich erst einmal mit freundlicher Unterstützung eines Journalisten auf die Mission geschickt, ein Mobiltelefon und einen Pocketrouter für meine Wohnung zu besorgen, was nach einigem Suchen und Preise vergleichen auch gelang. Was ich zu diesem Zeitpunkt leider noch nicht wusste war, dass am nächsten Morgen mein Vermieter mit einem Wifi- Modem vor meiner Tür stehen würde, welches er scheinbar schon vor einer Weile bestellt hatte, aber vergessen hatte mir mitzuteilen, dass es eingebaut wird.
Jetzt bin ich stolzer Besitzer von zwei Wifi Netzwerken, eines sogar unabhängig vom Stromnetz, da es mit Batterie betrieben wird. Auch nicht das Dümmste, wenn man die Stromausfälle bedenkt, welche ganz Bangladesh immer wieder heimsuchen.
Am Nächsten Tag wurde ich von den Fotografen mit einigem Erstaunen begrüsst. Scheinbar wurden sie nicht darüber informiert, dass ich kommen würde.
Nichts desto trotz sind sie sehr freundlich und bringen mir die ersten Witzchen und Neckereien bei, welche scheinbar running-gags sind und jeweils auf Kosten des Anderen gehen. Dass der neue Bideshi (Ausländer) da natürlich nicht als Zielscheibe des Spotts ausgenommen wird, versteht sich von selbst.
Von den schreibenden Journalisten werde ich sofort freudig als „the New Carole“ oder „Male Carole“ begrüsst, ein Zeichen sowohl dafür, dass meine Vorgängerin Carol einen guten Job gemacht hat, als auch, dass sie mit ihrer offenen Art viele Freunde gefunden hat. Ein Umstand von dem ich hier natürlich dankbar profitiere, zeigt doch keiner Hemmungen, mit dem neuen Schweizer zu interagieren.
Sofort werde ich zum Nachtessen eingeladen und ich höre zum ersten Mal jenen Satz, welcher meine erste Woche hier prägen sollte. „If you need anything, please call me“ wird hier nicht als gut gemeinte Floskel gebraucht, sondern ist auch ernsthaft so gemeint. Nach zwei Tagen meldeten sich schon Menschen bei mir, welche ich vielleicht für 20 Minuten getroffen hatte und wollten wissen ob immer noch alles in Ordnung sei bei mir.
Bangladeschi sind wahrscheinlich das offenherzigste und freundlichste Volk, welches man sich vorstellen kann. Ihr grösster Stolz scheint es zu sein, wenn Menschen von ausserhalb sich in ihrem Land wohlfühlen. Und um dies zu erreichen wird wirklich fast alles unternommen. Steht man als Tourist kurz vor irgendeinem Problem, sind bereits Menschen da, welche alles unternehmen, um eine Lösung zu finden. Ich wurde hier von wildfremden Menschen an der Hand durch die Stadt geführt, als ich ein Geschäft suchte und nur eine Wegbeschreibung haben wollte. Leute mischen sich ein, um Händler zurecht zu weisen, wenn diese einen allzu unverschämten Preis für Bananen vom unwissenden Bideshi verlangen. Und ich werde von Menschen zu ihren Familien und Freunden eingeladen und vorgestellt, welche mich selber erst ein paar Stunden kennen. Und dies alles ohne auch nur die geringste Gegenleistung anzunehmen, ausser einem Lächeln und einem Danke.
Der Spruch „Lächle und die Welt lächelt zurück“ mag an einem Montagmorgen in der Schweiz wenig Sinn ergeben, hier ist er gelebter Alltag. Lächle und 130 Millionen Bangladeschi grinsen über beide Backen zurück.
Jeder hier versucht, seinen Möglichkeiten entsprechend, ein guter Gastgeber zu sein und mir einen möglichst angenehmen Aufenthalt zu bereiten.
Dass die Schweiz, im Gegenteil dazu, innerhalb eines Jahres gleich zwei Abstimmungen lanciert, welche Fremdenfeindlichkeit quasi in der Verfassung verankern sollen, sollte uns zu denken geben.
Frei nach dem Motto „Wer hat Angst vor dem fremden Mann?“ -Die Bangladeschi bestimmt nicht.
Schreibe einen Kommentar