Kriegsberichte aus der Vorstadt: Journis im Exil
Die Militär-Junta in Myanmar zwingt die Medien ins Exil. Frontier Myanmar ist in die Vorstadt von Chiang Mai abgetaucht.
Mein erster Arbeitstag beginnt auf dem Rücksitz eines Motorrollers. Uber, Thai-Style. Der Fahrer bringt mich zu einer Adresse in der Vorstadt von Chiang Mai. Hier hat der Frontier Myanmar sein Exil gefunden. Ein leergeräumtes Wohnzimmer, ein paar Tische, WLAN. Nichts lässt darauf schliessen, dass hier eine Redaktion über die Situation in Myanmar berichtet. Kein Schild, keine Verortung auf Google-Maps. Nur fünf Paar Flipflops und Turnschuhe vor der Tür eines gewöhnlichen Wohnhauses.
Was in Myanmar los ist
Am 1. Februar 2021 hat das Militär die demokratisch gewählte Regierung von Myanmar geputscht. Seither herrscht Gewalt. Auf die zu Beginn friedlichen Proteste antwortete das Militär mit Waffen. Regelmässig greift die Armee die Bevölkerung nachts mit Drohnen an, brennt Dörfer nieder, foltert Menschen, die sich auflehnen. 5350 Menschen wurden laut des aktuellen UN-Berichts seither getötet, mehr als drei Millionen sind auf der Flucht. Über die Hälfte der Bevölkerung lebt in Armut. Verschiedene Rebellengruppen wehren sich gegen die Militär-Junta.
Für Journalistinnen und Berichterstatter wurde es so gefährlich, dass das Printmagazin Frontier Myanmar im Herbst 2021 nach Thailand geflohen ist und seither online berichtet. Manche aus dem Team konnten ihr Land still verlassen und arbeiten aus Chiang Mai mit einem Studentenvisum. Andere Reporterinnen und Reporter berichten noch immer aus Myanmar, unter dem Risiko, jederzeit grundlos verhaftet zu werden. Das Wohnhaus in der Vorstadt von Chiang Mai ist ein improvisierter Treffpunkt. Zusammen kommt die ganze Redaktion nur beim wöchentlichen Videocall.
Hip-Hop zum Reinkommen
Die aktuelle Situation in Myanmar zu umreissen ist schwierig. Es ist nicht ein Konflikt, es sind viele: Zwischen 135 Ethnien, unzähligen bewaffneten Rebellengruppen und der Armee. Nicht zu vergessen die Verfolgung der Rohingyas, weswegen gegen Myanmar ein Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof läuft wegen Völkermord. Seit dem Coup und der Corona-Pandemie bin ich, nach vier Jahren Pause, nun die erste MAZ-Stagiaire beim Frontier Myanmar im Exil. Vor dieser Aufgabe, über einen Krieg und die betroffenen Menschen zu berichten, ohne je dort gewesen zu sein und ohne die Möglichkeit, das Land betreten zu können, habe ich grossen Respekt.
Meine erste Recherche soll deswegen „low hanging fruits“ sein, also etwas einfaches zum Reinkommen: Ein Porträt über einen burmesischen Rapper, der gegen die Gewalt Protest-Songs schreibt und eine Hip-Hop-Community in Chiang Mai aufgebaut hat. Während ich auf dem YouTube-Kanal des Rappers die Lyrics der Songs nach politischen Inhalten durchforste, schnappe ich Fetzen aus der Unterhaltung meiner Kollegen (ja, nur Männer) auf: „Drone attacks“, „Beheading them“, „Try to put a bomb into a military camp“; und bin dankbar für meinen sanften Einstieg mit „low hanging fruits“.
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