(Nicht so) stille Nacht

Ich würde mich zwar als eher Gläubigen Menschen bezeichnen, jedoch auf keinen Fall als Religiös. Meine Kirchenbesuche beschränken sich auf Beerdigungen und die Mitternachtsmesse an Weihnachten mit meinen Eltern. Und auch das nur weil ich die Tradition mag, mit Ihnen dorthin zu gehen. Letztes Jahr verbrachte ich Weihnachten auf der grossen Stupa in Bodnath, Nepal. Dieses Jahr entschloss ich mich aus Neugier die Mitternachtsmesse in der Holy Rosary in Dhaka zu besuchen. Mich nahm es einfach wunder, wie eine Christliche Messe hier aussieht.

Ruhige Momente auf dem Friedhof der Rosary Church
Ruhige Momente auf dem Friedhof der Rosary Church

 

Die ursprüngliche Holy Rosary Church ist die älteste und auch grösste Kirche in Dhaka welche heute noch existiert. 1677 wurde sie von Portugiesischen Missionaren erbaut. Heute steht ein neues Gebäude neben dem ursprünglichen Gotteshaus, da es nicht mehr genug Platz für alle Gläubigen bieten würde. Die Gottesdienste sind zwar Katholisch (ich bin reformiert) aber nach Freitagsgebeten in Moscheen, Morgenmeditationen in Buddhistischen Klostern, Unterweisungen beim Dalai Lama, Hinduistischen Pujas in Indien und der 3. grössten Muslimischen Pilgerreise der Welt fällt das in die Kategorie „Nebensächlichkeiten“. Ich bin da sehr flexibel.

Die Ursprüngliche Holy Rosary Church

 

Der Anteil der christlichen Bevölkerung Bangladeschs beträgt unter 1 %. Der Islam ist zwar Staatsreligion, aber Bangladesch ist säkular. Allen anderen Religionen werden dieselben Rechte eingeräumt und sie können frei ausgeübt werden. Natürlich gibt es auch Vorkommnisse, welche dem widersprechen und es gibt einzelne Berichte von Konvertiten, welche gezwungen wurden wieder zum Islam zurück zu kehren um in der Gesellschaft nicht geächtet und ausgestossen zu werden. Allerdings geschieht das nur in den ländlichen Gegenden und wird weder von der Regierung noch vom Grossteil der Bevölkerung gutgeheissen. Fanatische Spinner gibt es leider hier genauso wie im Rest der Welt auch, aber ich habe weder selber negative Erfahrungen gemacht, noch welche direkt beobachten können. Ganz im Gegenteil. Hier in Bangladesh wird ein friedliches Nebeneinander der Religionen gelebt, wie es wohl nur selten in der Welt vorkommt. Die Christen feiern mit den Muslimen Eid (das Fest des Fastenbrechens) während die Muslime auf offener Strasse „Merry Christmas“ wünschen und mit ihren Christlichen Freunden Weihnachten verbringen.

Stille Andacht
Stille Andacht

 

Die Gemeinsamkeit aller Feste besteht auch in der schier unglaublichen Menge an Essen, welches an jedem Feiertag, egal welcher Religion, aufgetischt wird. Bei den Christen steht zum Nachtessen noch die eine oder andere Flasche Wein oder Hochprozentiges auf dem Tisch, was wiederum ein Grund sein könnte, dass einige meiner muslimischen Freunde sich über Weihnachtsfeiern äusserst freuen. Merkt man im Gespräch an, dass Alkohol doch eigentlich verboten sei, erntet man ein gutmütig spöttisches Lachen. Das könne man strenger oder milder auslegen ist ihre schelmische Antwort.

Die „Mitternachtsmesse“ beginnt hier um 22.00 h. Eigentlich. Denn als ich um Um 21.30 h eintreffe, erlebe ich gerade noch das Ende einer ersten Messe. Zum Glück haben findet noch eine um 23.00h statt aufgrund des Besucherandrangs, welcher enorm ist. Aber verpflichtende Zeitangaben sind für Bangladeschi eh etwas völlig überbewertetes. Deshalb macht es für sie durchaus Sinn, dass Zwei Messen stattfinden und die offizielle Zeitangabe auf keine von beiden fällt. Erfahrungswerte nennt man das dann wohl.

Gemeinsames Beten
Gemeinsames Beten in der vollen Kirche

 

Vor dem Eingang der Kirche schreien Verkäufer und Rikscha- Fahrer um die Wette. Bettler hängen sich an alle Gliedmassen die sie finden können und lassen erst von mir ab als sie die Polizei mit Schlagstöcken vertreibt. Mein empörtes intervenieren dagegen verstehen sie nicht so recht, schliesslich haben sie doch gerade etwas Gutes für mich getan und mich in ihren Augen vor Belästigung gerettet. Auf dem Parkplatz der Kirche steht ein grosses Merry Christmas Plakat eines bekannten Getränkeherstellers vor dem man sich mit einem Weihnachtsmann ablichten kann.

Nonnen auf einem Rikscha in Neonbeleuchtung. Man gewöhnt sich an jeden Anblick
Nonnen auf einem Rikscha in Neonbeleuchtung. Man gewöhnt sich an jeden Anblick

 

Plastiktannenbäume und eine Weihnachtskrippe mit einem überdimensionalen Jesuskind stehen vor der Kirche, welche mit tausenden Neonlichtern beleuchtet wird. Für meine europäischen Augen mutet das ganze mehr an eine Dorfdisko aus Jugendtagen an als dass es bei mir Weihnachtsgefühle auslöste. Aus fotografischer Sicht allerdings ist es einmal mehr eine helle Freude solche Dinge zu entdecken und nach Bildern zu suchen.

Weihnachten in Dhaka
Weihnachten in Dhaka

 

Während man sich an die plärrenden Lautsprecher die Musik in bester Bollywood- Manier schmettern, erst einmal gewöhnen muss, stechen doch die Kleider der Frauen einmal mehr hervor. Wunderbarste Stoffe und Schmuck werden getragen um den Tag zu ehren. Und auch die Eine oder andere Handlung kenne ich von Zuhause und verstehe den Ablauf. Und sogar ein Lied verstehe ich, wenn ich auch zugeben muss, dass „Stille Nacht“ auf Bangla mehr zum Schmunzeln verleitet, als das Bedürfnis mit zu singen hervorruft.

Alle machen sich schön für in die Kirche
Alle machen sich schön für in die Kirche

 

Den Abschluss meiner Weihnachten bildete dann die Einladung einer Redaktionskollegin zu einem Vor- Hochzeits- Event des Cousins der Freundin des Bruders (das zählt als engste Familie). Zwei Stunden Bollywood Feeling pur, Lachkrämpfen ab dem Dargebotenen und bestem Essen rundeten ein weiteres Weihnachten ab, welches ich nicht so schnell wieder vergessen werde.

Die Einfahrt des Bräutigams auf einem Motorrad. Begleitet von Tänzern.
Die Einfahrt des Bräutigams auf einem Motorrad. Begleitet von Tänzern.

 

 

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