Nichts geht über Fussball in Ghana

Dass Fussball in Ghana die beliebteste Sportart ist, habe ich auf meinen unzähligen Joggingrunden gemerkt. Immer wieder kam ich an rege genutzten Fussballplätzen vorbei, häufig Sandplätze oder Wiesen, auf denen Menschen jeden Alters spielten. Wenn kein Platz zur Verfügung stand, spielten die Kinder auf der Strasse, manchmal reichte schon eine PET-Flasche als Ballersatz. Und wenn nicht gerade selber gespielt wird, dann verfolgen viele Ghanaer Fussball am Fernseher, insbesondere die Premier League. Der Englische Fussball flimmert nicht nur in der Hauptstadt Accra in den unzähligen Pubs über die Bildschirme, sondern auch in vielen ländlichen und ärmeren Gebieten. Kürzlich reiste ich entlang des Voltasees und durchquerte ein kleines Dorf, welches sehr abgeschieden war. Die Hütten waren aus Lehm gebaut, und es schien unwahrscheinlich, dass die Bewohner dort Fernseher besassen. Trotzdem sah ich ein Holzschild am Strassenrand, auf dem mit weisser handgeschriebener Schrift stand: „Today Premier League 3pm“. 

Mitarbeiter von Pulse Ghana verfolgen ein Spiel der Black Stars im Büro. (Foto: Rahel Osterwalder)

Wenn es um den Fussball im eigenen Land geht, sind zwei Namen besonders wichtig. Die Black Stars und die Black Queens. Die ghanaische Männer-Nationalmannschaft wird als die Black Stars bezeichnet, benannt nach dem ghanaischen Symbol für Unabhängigkeit und Antikolonialismus. Bei den Black Stars spielt unter anderem auch eine Fussballgrösse aus der Schweizer Liga mit – Lawrence Ati Zigi. Erst kürzlich wurde der 26-jährige FCSG-Torhüter mit dem St. Galler Sportpreis ausgezeichnet. Beim WM-Qualifikationsspiel gegen Madagascar von letzter Woche konnte er sein Können jedoch nicht unter Beweis stellen. Black Stars-Trainer Chris Hughton liess den temporären Wahl-Ostschweizer auf der Bank sitzen.

Schweizer Trainerin bei den Black Queens

Was mich persönlich noch mehr interessiert als die Black Stars, sind die Black Queens, die Frauen-Nationalmannschaft. Besonders, da die Trainerin Nora Häuptle aus der Schweiz kommt. Seit Beginn des Jahres hält Nora Häuptle den Posten als Head Coach inne und sie überzeugt mit einer Erfolgsserie. In den letzten neun Länderspielen hat die 40-jährige Thurgauerin mit ihrer Mannschaft kein einziges Spiel verloren. Die Black Queens haben insgesamt 31 Tore geschossen und keines kassiert. Kein Wunder, dass Nora Häuptle von den ghanaischen Medien als beste Trainerin der Black Queens überhaupt gehandelt wird.

Gekochtes Ei mit Chili-Sauce, anstatt Bratwurst und Pommes

Für einen Schweizer Medienbericht über die Erfolgstrainerin in Ghana wollte ich deshalb ein Spiel der Black Queens besuchen. Ghana gegen Benin stand an, ein Qualifikationsspiel für die Olympischen Spiele. Ein Ziel von Nora Häuptle ist es, ihr Team 2024 nach Paris zu bringen. Also machte ich mich gemeinsam mit meinem Arbeitskollegen und Sportreporter Emmanuel auf den Weg ins Accra Sports Stadium. Zu meiner Überraschung standen beim Eingang weder Sicherheitsleute, noch musste ich ein Ticket kaufen. Der Eintritt war gratis, trotzdem blieben viele Plätze leer. Dies tat der Stimmung jedoch keinen Abbruch, im Gegenteil. Die Fans der Black Queens gaben bereits vor dem Abpfiff Vollgas und hörten bis zum Schluss nicht auf zu Tanzen, Trommeln und Singen. Ein Fan sagte mir, dass er die Black Queens den Black Stars vorziehe, da sie viel besser spielten. Als ich ihn nach seiner Meinung zur Schweizer Trainerin Nora Häuptle fragte, antwortete er mit einem breiten Lächeln: „Wir lieben sie.“ Das kurze Interview gibt’s auf Pulse Ghana’s Instagram zu sehen.

„Nora Häuptle macht ihre Sache sehr gut. Wenn sie schon früher in Ghana gewesen wäre, hätten wir den Afrika-Cup und sogar die Weltmeisterschaft gewinnen können. Wir sind sicher, dass sie uns für die Olympischen Spiele qualifizieren wird.“ 

Alex, Fan der Black Queens

Nicht nur die Stimmung im Stadion hat mich sehr beeindruckt, sondern auch das Essen war völlig anders als bei Spielen im Letzigrund oder Kybunpark. Anstatt Bratwurst und Pommes gibt es in Ghana gekochte Eier mit Chili-Sauce. Es ist sehr gewöhnungsbedürftig, aber es schmeckt. Nach einer torlosen ersten Halbzeit legten die Black Queens in der zweiten Halbzeit zu und gewannen das Spiel gegen Benin mit 2:0. Nora Häuptle und ihr Team stehen in der dritten von vier Runden der Olympia-Qualifikation. Der nächste Gegner ist Sambia und der Traum von Paris 2024 geht für Nora Häuptle weiter.

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