Qualitätsjournalismus finanzieren – hier wie dort ein Problem

Meine Zeit beim Frontier ist schon seit ein paar Wochen durch – für ein paar Projekte für Schweizer Medien bin ich allerdings immer noch im Land. Wem auch immer unter den Ausländern ich während meiner Zeit in Yangon erzählt habe, dass ich beim Frontier arbeite, der hatte bloss lobende Worte für dessen Berichterstattung übrig. Wenn ich dann aber fragte, ob die Person das Magazin auch abonniert habe, kam meistens ein Nein zurück. Stattdessen lese sie die Artikel regelmässig online; kostenlos, versteht sich. Myanmar ist in dieser Hinsicht wie so viele andere Länder. Der Frontier hat, wie die meisten, finanzielle Probleme.

Unspektakuläre Fassade, toller Inhalt: das Frontier-Büro in Downtown Yangon.

Um allfälligen Bewerbern um meine Nachfolge und anderen Interessierten einen letzten Einblick in meine Zeit in Yangon zu bieten, möchte ich diesbezüglich ein paar Gedanken ausführen. Ja, das Team von Chefredaktor Tom Kean – und dieser selbst sowieso – macht unter schwierigen Umständen einen sehr guten Job. 2015 von Sonny Swe, der für seine Arbeit für die Meinungsfreiheit jahrelang im Gefängnis gesessen hatte, gegründet, bietet der Frontier seither alle zwei Wochen Primeure, politische Features, Meinungsstücke und auch immer wieder mal was fürs Gemüt, zum Beispiel im Stil einer Reisereportage aus einer entlegenen Ecke des Landes. Das Ganze geschieht wunderbar designt, auf hochwertigem Papier und mit einer Watchdog-Mentalität, die sonst in Myanmar zu kurz kommt, obwohl es so viel anzuprangern gäbe. Beeindruckend sind die hohen journalistischen Standards, so dass jeder, und wenn ihm nur in einem Nebensatz ohne Namensnennung etwas vorgeworfen wird, die Chance zur Stellungnahme erhält.

Und weil ein wenig Kritik auch sein muss: Weil die meisten Schreiber nicht Muttersprachler sind und die Texte jeweils nicht bis zur Unkenntlichkeit redigiert werden, ist sprachlich noch Luft nach oben (wobei ich mich nicht ausnehme). Ausserdem gibt es zu wenige Wirtschaftsstories, insbesondere im Vergleich zu der Vielzahl an – zweifellos wichtigen – Geschichten über die schrecklichen Konflikte im Land. Ich denke hierzu allerdings, dass bei Letzteren eine Compassion Fatigue einsetzt – ja, es ist schlimm, aber die dritte Story darüber im gleichen Heft macht den Braten nun auch nicht mehr feiss. Während der Bürgerkrieg also seit über 70 Jahren anhält und die immer ungefähr gleichen Grausamkeiten produziert, hat sich das Land in den letzten zehn wirtschaftlich irrsinnig stark gewandelt, und dies schlägt sich zu wenig in der Berichterstattung nieder. Dabei betreffen diese Umwälzungen – Mobilfunk-Revolution, die Städte lähmende Autoimporte, Flugverkehr! – das tägliche Leben der Leser deutlich stärker. Ich habe deswegen versucht, mich insbesondere in diesem Bereich einzubringen (hier: https://frontiermyanmar.net/en/author/konrad-staehelin)

Sei’s drum, das Frontier-Team macht redaktionell tolle Arbeit. Und die kostet.

Die wenige Werbung im Heft und die paar Fränkli auf die wenigen Tausend Hefte wiegen die Ausgaben für die rund 20-köpfige Redaktion niemals auf – selbst wenn ein Reporter bloss um die 300 Franken verdient. Wo soll also zusätzliches Geld herkommen? Zwar wächst die Anzahl Ausländer, die den Löwenanteil der Frontier-Leser ausmachen in Myanmar konstant. Die meisten unter ihnen sind interessante und interessierte Personen – trotzdem scheinen nur wenige unter ihnen Geld für guten Journalismus ausgeben zu wollen. Auf eine wunderhafte Abo-Flut darf der Frontier also nicht hoffen. Und um diese über Marketing-Aktionen zu erreichen, fehlt – oh Wunder – das Geld.

Paywall? Ist bei dem begrenzten Markt wohl nicht erfolgversprechend. Zudem widerspräche sie dem Willen von Eigentümer Sonny, den Journalismus auch weniger Begüterten, zum Beispiel burmesischen Studenten, zugänglich zu machen.

Und so sind die Frontier-Macher kreativ geworden und haben ihr Kernbusiness – das Verfassen von Artikeln – verlassen: Einerseits wollen Sie ein Membership-Programm auf die Beine stellen, das an monatlichen Events den Kontakt zwischen Redaktion und Sympathisanten ermöglicht.

Doch viel Geld wird bei diesen Membership-Beiträgen kaum fliessen – vielversprechender ist meiner Meinung nach folgende die zweite Neuerung. Ein mehrköpfiges, neu angestelltes Team verschickt pro Tag zwei Rundmails an all jene, die sich auf der entsprechenden Liste eingetragen haben. Eines nennen sie Daily Briefing und erklären darin auf wenigen Zeilen, was für Myanmar, seine Politik, seine Wirtschaft und seine Menschen heute wichtig ist. Das andere ist der Media Monitor, in dem die Burmesen im Team die wichtigsten Stories der Medien, die auf Burmesisch erscheinen, übersetzen und zusammenfassen. So erhalten die grösstenteils ausländischen Empfänger des Media Monitors, die grösstenteils auch kein oder nur begrenztes Burmesisch sprechen, einen Einblick in die lokale Medienarena.

Seit letzter Woche ist die Beta-Phase durch und der Empfang kostenpflichtig. Die ersten Erfahrungen zeigen, dass neben ein paar wenigen Myanmar-Liebhabern vor allem Firmen, Botschaften und NGOs willens sind, für den Service zu bezahlen. Schliesslich gibt es noch nichts anderes dieser Art im Land. Und dass die internationale Community Probleme hat, die Befindlichkeiten der Lokalbevölkerung zu verstehen, ist spätestens klar, seitdem die Uno trotz einer Vielzahl von Warnsignalen die Eskalation der Rohingya-Krise nicht hat kommen sehen.

Ich bin gespannt, wie sich der Frontier auf und abseits seines ursprünglichen Terrains weiter entwickelt und wünsche ihm von Herzen alles Gute.

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