Schurken, Monster und Helden
Rauch schwebt über dem Boden. Einzelne Blitze zucken durch den Himmel. Roter schein legt sich auf seine Rüstung. Der Ritter hebt das Schwert in den Himmel und verkündet mit donnernder Stimme, alle Unschuldigen vor den nahenden Drachen zu beschützen.
Und die Menschen spenden tosenden Beifall ab dem Dargebotenen.
Doch nicht eine Burg im Mittelalter ist der Schauplatz dieser Szenerie, sondern ein Fussballfeld mitten im noblen Stadtteil „Banani“ in Dhaka.
Kurz darauf stürmt eine Gruppe bunt gekleideter Jugendlicher die Bühne und erkämpft respektive ertanzt sich unter den Klängen von Psy’s Gangnam- Style berechtigte Buh-Rufe vom Publikum.
Wer jetzt ab dem Gelesenen leicht verwirrt die Stirn runzelt, den kann ich beruhigen. Live war das Ganze noch viel absurder.
Willkommen zur Comicon Dhaka.
Eine Comic con(vention) ist eine Veranstaltung, an der sich Anime*-, Manga*- und Comic- Fans treffen um sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. An diesen Messen findet man neben Verkaufsständen mit Sammlerstücken und Merchandising vor allem eines, Cosplay.
Beim Cosplay stellt der Teilnehmer einen Charakter, aus Manga, Anime, Computerspiel oder Film, durch Kostüm und Verhalten möglichst originalgetreu dar. Erfunden wurde das Ganze, wo sonst, in Japan. Allerdings erfreut sich Cosplay, welches bei weiblichen Darstellerinnen häufig einen erotischen Touch beinhaltet, auch in Amerika grosser Beliebtheit. Cosplaywettbewerbe erinnern stark an Varietéaufführungen bei denen die Darsteller auf der Bühne ein einstudiertes Stück vorführen. Viele singen die Titelmelodie der entsprechenden Serie, führen einen Showkampf vor oder zitieren einen passenden Monolog.
In der Theorie wäre das jedenfalls so vorgesehen. Die Cosplay Szene in Dhaka ist selbstverständlich noch sehr neu. Die Comic con war erst die zweite (oder je nach Informationsquelle dritte) die es je gab. Dementsprechend ist die Szene von Jugendlichen geprägt, welche zwar mit sehr viel Elan an ihren Kostümen arbeiten, jedoch nicht so viel Zeit in das Einstudieren der Charaktere und Handlungen ihrer Figur investieren. Was mitunter ein gewisses „Fremdschämerpotential“ birgt, wenn die Cosplayer vor der Jury Rede und Antwort stehen müssen. Allerdings hat es auch einige erfahrenere Cosplayer dabei, die mit Hintergrundmusik in die „Arena“ einmarschieren und eine Darbietung sondergleichen zum Besten geben. Dies reisst dann das Publik jeweils vom Hocker und provoziert bei den jungen Mädchen in der ersten Reihe regelrechten Kreischorgien.
Die Cosplayerinnen spielen, im begrenzten Rahmen, durchaus auch mit den Möglichkeiten die ihnen Cosplay bietet. Die Massstäbe an Freizügigkeit sind natürlich nicht mit Amerika zu vergleichen, wo einige Cosplayerinnen fast nackt rumlaufen. Aber nackte Schultern, Bauchfrei, overknee Stiefel und hie und da ein aufreizendes Lächeln in Richtung eines männlichen Cosplayers dürfte für viele traditionellere Bangladeschi wohl schon mehr als genug sein.
Die Besucher der Comic con sind durchwegs in der gut gebildeten oberen Mittelschicht und Oberschicht zu finden. Importierte Mangas und Comics kosten auch hier verhältnismässig viel Geld. Ebenso wie die Computer und Internetverbindungen, welche man zwingendermassen braucht um sich über die Anime- und Mangaszene in Japan zu informieren. Ganz zu schweigen von den teilweise hohen Kosten für die Kostüme.
Auch wenn die anwesenden Eltern und Polizisten einige Male ein bisschen verständnislos ab dem gebotenen Treiben sind, so ist es doch für alle ein Riesen Spass. Ein bisschen wie für uns Fasnacht halt.
Volkssport ist heute, mit möglichst vielen Cosplayern ein Selfie zu schiessen. Und ich zweifle beim Eifer den manche Handyfotografen an den Tag legen nicht im Geringsten daran, dass sie jeden einzelnen erwischt haben.Die Cosplayer müssen so unglaublich speziell und neu für die Menschen hier sein, dass darob doch glatt der hellheutige Ausländer vergessen ging der hier fotografierte. Und der hat es einmal genossen, NICHT das Zentrum der Aufmerksamkeit und Selfiejagd zu sein.
* Mangas sind Japanische Comics. Anime sind die animierte Form davon, im Deutschen Zeichentrickfilme.
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