Sicherheitskontrollen, lange Arbeitstage und engagierte Journalistinnen in Kolumbien

An meinem ersten Tag bei «El Espectador» in Kolumbien dauerte es eine geschlagene Stunde, bis ich in die Redaktion gelassen wurde. Vor dem Eingang stehen mehrere Sicherheitsleute mit Hunden. Sprengstoffhunde, wie ich später erfuhr. Am Empfang wurde mein Pass kontrolliert – von mehreren Personen. Sie waren sich nicht sicher, ob er echt ist. Erst die Einreisestempel im Pass überzeugten sie.

Titelblatt des „El Espectador“ am Tag, nachdem die Redaktion von einer Autobombe verwüstet wurde. Quelle: El Espectador

Auch die E-Mail mit der Bestätigung, dass ich an diesem Tag anfangen würde, wurde mehrmals angeschaut. Später wurde die Person, die diese E-Mail geschrieben hatte, herbeigerufen. Erst dann durfte ich durch den Flughafenscanner, durch den auch gestandene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Zeitung jeden Tag müssen. Bevor ich wirklich reindurfte, wurde auch noch mein Laptop, den ich mitgebracht hatte, genau studiert und registriert. Dass mich die strikten Kontrollen erstaunten, erstaunte meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dass es bei meiner Redaktion in der Schweiz keine Eingangskontrollen gibt, erstaunte sie noch mehr.

Journalismus unter Druck

Aber eigentlich ist es kaum verwunderlich, dass sie vorsichtig sind, wen sie in die Redaktion reinlassen. «El Espectador», die Zeitung, bei der ich arbeite, ist in diesem Bereich vorbelastet. Im Jahr 1989 wurde die Redaktion von einer Autobombe komplett verwüstet. Der geistige Urheber des Anschlags war Pablo Escobar. Sein Ziel: die Zeitung zum Schweigen zu bringen. Die Anschuldigungen, die «El Espectador» immer wieder gegen ihn erhob, missfielen ihm. Und die Ermordung des Korrespondenten Roberto Camacho Prada und des langjährigen Direktors Guillermo Cano Isaza drei Jahre zuvor, sowie des Journalisten Héctor Giraldo Gálvez wenige Monate vor dem Attentat, hatten nicht die gewünschte Wirkung gezeigt. Getötet wurde beim Anschlag im September 1989 niemand, aber mindestens 73 Personen wurden verletzt. Ausserdem hinterliess die Bombe eine Spur der Verwüstung. Ein Grossteil des Gebäudes lag in Schutt und Asche. Die Zeitung, die am Tag darauf trotzdem erschienen ist, trug den Titel «Seguimos adelante» – wir machen weiter. Die Ausgabe hängt im Eingangsbereich der Redaktion.

Von meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat dieses Attentat wohl niemand miterlebt. Die Redaktion ist sehr jung. Aber auch heute ist Kolumbien laut Reporter ohne Grenzen für Medienschaffende eins der gefährlichsten Länder Lateinamerikas. Morddrohungen, körperliche Angriffe und Entführungen sind keine Seltenheit, immer wieder kommt es auch zu Morden. In diesem Jahr wurden in Kolumbien zwei Journalisten getötet. Gefährlich sind Recherchen etwa über Landkonflikte, Korruption, Drogenkriminalität oder bewaffneten Konflikte. Die kolumbianische Stiftung für Pressefreiheit (FLIP) zählte für das Jahr 2024 bis Mitte Oktober 420 Attacken auf Journalisten.

Engagierte Journalistinnen und Journalisten

Das ist auch in der Redaktion immer wieder ein Thema. Viele Journalisten hätten deswegen den Beruf verlassen, sagen meine Mitarbeiter. Betroffen seien insbesondere Politik-, Umwelt- und Lokaljournalisten. Jene, die noch hier sind, scheinen aber sehr engagiert zu sein.  Offiziell wird in Kolumbien 46 Stunden die Woche gearbeitet – in der Redaktion wird diese Zahl deutlich übertroffen.

Und so streng die Einlasskontrollen auch waren, so herzlich wurde ich dann auch in Empfang genommen, als ich einmal drin war. Für die ersten Wochen arbeite ich hauptsächlich beim International-Ressort mit. Über die zusätzliche Unterstützung so kurz vor den US-Wahlen waren die Redaktionsmitglieder äusserst erfreut, was sie mir auch immer wieder zu verstehen geben.
Bis ich mich an die langen Arbeitstage gewöhnt habe, wird es aber wohl noch eine Weile dauern.

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