Tansania, Fussball und meine zweite Halbzeit

Tansania ist Fussballverrückt. Ich nicht. Aber irgendwie färbt die Leidenschaft für Taktik und Technik ein Klein wenig ab. Denn auch in meinem Aufenthalt hier spiele ich schon in der zweiten Halbzeit – Zwischenstand und Ausblick…


Auf dem Tisch warten gebrauchte Schuhe, fein säuberlich geputzt und mit Zeitungspapier oder Plastik ausgestopft auf den nächsten Käufer. Der Sonnenschirm schützt vor der brennenden Sonne, während der lange Stiel als Ständer für das Smartphone dient, um das sich gerade etwa fünfzehn junge Männer versammelt haben. Ein Fussballspiel zwischen Manchester United und Arsenal flimmert über den kleinen Bildschirm und halb Dar es Salaam ist dabei. Vergessen sind die Kunden, die Zeit, die Hitze und der Kampf ums tägliche Brot. Auch innerhalb des Markgeländes sitzen und stehen Männer entweder um kleine Radios oder die Mobiltelefone mit Radioempfang und folgen dem Spiel. Keine Frage, die Tansanier sind Fussballbegeistert und lieben nicht nur die lokalen Klubs sondern auch die europäischen – insbesondere die britischen Traditionsclubs.

Vor drei Wochen fiel mir in Morogoro ein anderes Public Viewing auf. In einem Restaurant am Strassenrand stand ein alter Röhrenfernseher auf einem Gestell, wie sie in meiner Schulzeit üblich waren (eines dieser Gestelle mit Rollen, einem VHS-Gerät und später auch mit einem DVD-Player auf dem unteren Ablagebrett, der Fernseher thronte obenauf. Gross, schwarz und mächtig). Davor sassen in fünf Reihen etwa vierzig Männer und ein paar Frauen und schauten zu, wie 22 Männer einem Ball nachjagten. Manche tranken Bier, andere sahen sich lediglich das Geschehen auf dem Fussballplatz an. Auch das Lokal daneben konnte sich nicht über mangelnde Kundschaft beklagen, die Männer standen teilweise im Garten, um das Spiel mitverfolgen zu können.

Und es kommt noch besser: In Dar es Salaam, Dodoma und Morogoro gibt es Daladalas, Bajaji’s und Taxis, auf denen die Logos grosser britischer Fussballclubs prangen. Spricht man die Fahrer auf ihre Fussballclubpräferenz an, beginnen sie gleich zu erzählen, wollen wissen, ob man Fussball mag und was man von den letzten Spielen hält. Keine Zweifel – es könnte helfen, etwas von Fussball zu verstehen und einen Lieblingsclub zu haben, den man unterstützt.

Und ähnlich wie in einem Fussballmatch verläuft auch mein Stage hier in Tansania. Die ersten zwei Wochen waren nötig, um anzukommen und mich zurechtzufinden – vergleichbar mit den ersten Spielminuten. Danach folgten vier unglaublich spannende Wochen, mit Besuchen im Schlachthaus, einer Reise nach Dodoma und Morogoro, mehreren Besuchen bei Bauern, einem Abstecher nach Arusha und einer Nacht in Sansibar und eine etwas ruhigere Woche im Büro. Die erste Halbzeit ist damit inklusive Nachspielzeit bereits vorbei. Quasi in der Garderobe sitzend ist es Zeit für eine kleine Zwischenbilanz.

Zu den Highlights gehören neben den beiden Geschichten über den Rinderhandel und die Arbeit im Schlachthaus auch der Besuch des Farmer Training Centers von Janet Maro und ihrem Mann Alex Wostry, etwas ausserhalb von Morogoro (Hier gehts zu Porträt von Janet Maro), und die Besuche der DEZA-Projekte rund um Dodoma (Hier gehts zu einem Porträt). Ein weiteres spannendes Erlebnis war der Flug von Dar es Salaam nach Arusha (Hier gehts zum Feature). Zu den weniger tollen Momenten gehört der Aufenthalt in Sansibar, wo mir eine Magenverstimmung einen Strich durch die All-Inclusive-Rechnung machte. Immerhin der Sandstrand und die Gesellschaft liessen keine Wünsche offen und waren schlicht toll.

Soweit so gut, könnte man denken. Aber eigentlich ist es die zweite Halbzeit, die entscheidend ist, ob man das Spiel gewinnen kann oder nicht. Wie genau das möglich sein soll, ist mir noch nicht ganz klar. Es gibt noch ein paar Geschichten, die ich realisieren möchte, deren Umsetzung hat sich aber als etwas komplizierter herausgestellt. Und da ich von Drittpersonen abhängig bin, sind Fortschritte schwierig auszumachen. Für die zweite Halbzeit weiss ich wenigstens, dass ich eine Offensivstrategie anwenden muss…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert