Wie fair sind die Präsidentschaftswahlen in Georgien?
Die Regierung will ihre Kandidatin mit allen Mittel auf den Thron hieven – koste es was es wolle.
Meine vierte Woche in Georgien ist in vollem Gang und ich schreibe meinen zweiten Blogeintrag und ja, es geht auch in diesem um die Präsidentschaftswahlen. Während ich mich in Tiflis so richtig gut eingelebt habe und pudelwohl fühle, geht in Georgien der Kampf ums Präsidentschaftsamt weiter. Und der hat es in sich.
Kurz zur Erinnerung: Vor knapp einem Monat fand die erste Wahlrunde statt. 25 Kandidatinnen und Kandidaten traten an. Zwei von ihnen erhielten praktisch gleich viele Stimmen, nämlich je rund 38 Prozent. Einerseits die offiziell unabhängige, jedoch von der Regierungspartei gestützte Kandidatin Salome Zurabischwili und andererseits Grigol Waschadse von der Oppositionspartei «Vereinte Nationale Bewegung». Wer von den beiden PräsidentIn wird, entscheidet das Volk am 28. November. Meine Beobachtungen auf den Strassen von Tiflis veranlassen mich aber zu der Frage: Wie fair ist diese Stichwahl?
Menschen machen sich über die seltsamen Wahlplakate lustig
Grundsätzlich befindet sich die ehemalige Sowjetrepublik Georgien auf gutem demokratischen Weg. Zu diesem Schluss kommen diverse Institutionen und NGOs, wie beispielsweise «Freedom House». Und auch die OECD, die zusammen mit anderen die erste Runde der Präsidentschaftswahlen beobachtet hat, stellt dem Land ein mehr oder weniger befriedigendes Zeugnis aus. Doch in den letzten Tagen sind hier Dinge vorgefallen, die alles andere als ein gutes Licht auf die aktuellen Wahlen werfen.
Da wären einmal die «Transgender Wahlplakate», wie sie die Einheimischen im Scherz nennen. Wie schon vor der ersten Runde, ist Tiflis erneut mit neuen Salome-Plakaten zugepflastert. Beinahe genauso häufig lächelt zurzeit aber auch der Oligarch Bidzina Ivanischwili den Passanten zu – obwohl er nicht kandidiert, sondern lediglich der Parteichef der Regierungspartei «Georgischer Traum» ist. Sein Name ist jedoch nirgends auf den Plakaten zu sehen. Dafür steht da auf Georgisch: «Eine fundamentale Entscheidung, Würde, Freiheit, Fortschritt». Ausserdem sind die Listennummer der Kandidatin Zurabischwili sowie ihr Name aufgeführt. Mittlerweile lacht das halbe Netz in Georgien über dieses seltsame Unterstützungsplakat. Leute posten Bildmontagen mit irgendwelchen anderen bekannten Gesichtern, wie etwa dem des Premierministers oder einer bekannten Pianistin. Wäre die Sache nicht so ernst, dann wäre ich tatsächlich versucht, das Ganze als Scherz abzutun. Doch der Regierung ist es bitter ernst. Denn wie sonst liesse sich ihr allerneuster Coup erklären?
Regierung kündigt Schuldenerlass im grossen Stil an
Am 19. November kündigte die Regierung an, sämtliche Schulden von Privatpersonen abzuschreiben, die den Betrag von 2’000 Laris (knapp 750 Franken) nicht überschreiten. Davon würden rund 600’000 Leute profitieren, die bei einer Bank oder einem Online-Kreditgeber verschuldet sind. Das sind ziemlich viele potentielle Wähler, wenn man bedenkt, dass in Georgien nur rund 3.7 Millionen Menschen leben. Es ist völlig unklar, wie dieser Schuldenerlass von insgesamt 1.5 Milliarden Laris vonstattengehen soll beziehungsweise warum und unter welchen Bedingungen sich der Finanzsektor darauf einlässt. Der Premierminister – dieser gehört ebenso wie die grosse Mehrheit im Parlament und sämtliche Minister der Regierungspartei an – gab lediglich bekannt, dass die «Kartu Fondation» einen Teil der Schulden begleichen wird. Kleines Detail am Rande: Hinter der Kartu Gruppe steht niemand Geringeres als der Oligarch und Chef der Regierungspartei Bidzina Ivanischwili. Das Ganze sei ein Versuch der Regierung, sich einen Teil der Wählerschaft zu erkaufen, und zwar in einem noch nie dagewesenen Ausmass, sagt dazu Transparancy International.
Und als ob das alles nicht schlimm genug wäre, hat die Regierung auch noch das Datum der Stichwahl vorverschoben. Statt wie anfänglich angekündigt an einem Sonntag, findet die Wahl nun am Mittwoch, den 28. November statt. Unter der Woche wird es jedoch insbesondere für Auslandgeorgier schwierig sein, stimmen zu gehen, da sie dafür die Botschaft oder ein Konsulat aufsuchen müssen. Dass es sich dabei nicht um einen Zufall handelt, beweist ein Blick auf die Resultate der ersten Runde. Die Georgierinnen und Georgier im Ausland haben ihre Stimme mehr als doppelt so häufig dem Oppositionskandidaten Grigol Waschadse gegeben als der von der Regierung gestützten Kandidatin Salome Zurabischwili.
Offensichtlich fürchtet sich die Regierung vor einer Wahlschlappe. Dabei gab sie sich vor der ersten Runde noch siegessicher. Bidzina Ivanischwili gratulierte Salome Zurabischwili gar öffentlich zum Sieg, und das noch bevor irgendwelche Resultate bekannt gegeben wurden. Mit ein Grund für die gewachsene Nervosität der Regierung ist die Ankündigung des drittplatzierten Präsidentschaftskandidaten. Dieser erhielt in der ersten Runde immerhin elf Prozent der Stimmen. Er gab bekannt, dass er in der Stichwahl den Oppositionskandidaten Waschadse unterstützen will.
Doch was auch immer die Gründe für dieses Verhalten sind, legitimieren tun sie dieses deswegen nicht. Dass ausgerechnet die Regierungspartei, die sich ganz besonders pro-europäisch und demokratisch gibt, zu solchen Wahlkampfmittel greift, ist gelinde gesagt ernüchternd.
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