Benins Stabilität auf dem Prüfstand: Der gescheiterte Putsch und seine Folgen
Fast etwas zu beiläufig erfahre ich vom Putschversuch. Das Handy blinkt auf, darauf zwei Buchstaben: Cc. Ein Anstupsen per Coucou zur Erkundigung der Erreichbarkeit. Es ist morgens nach 9 Uhr, am Abend davor war meine Abschiedsfeier mit der Redaktion. Seit gut zwei Stunden sitze ich im Bus nach Cotonou, dem wirtschaftlichen Zentrum Benins. Dort befindet sich auch der Regierungssitz. Die drei hüpfenden Punkte auf dem Bildschirm werden sich wohl gleich in eine Frage, ob es mir denn auch gut gehe, verwandeln. Fehlanzeige.
«Das Militär hat die Macht ergriffen», steht da stattdessen. Ungläubig reibe ich mir die Augen. Die Nacht war kurz. Der Kopf wiegt schwer. «Sérieux?», frage ich nach. «Oui oui», kommt es zurück. Daraufhin ein verwackeltes Video mit bewaffneten Männern im Studio des nationalen Fernsehens. Das muss ein Scherz sein! Ein Video, erstellt mit KI, das mich zum Umkehren bewegen soll. Bereits zum Geburtstag gab es eine Überraschung in Form eines KI-generierten Ständchens. Doch das hier ist ernst.
Aufregung im Rumpelbus
Der Bus fährt weiter, als ob nichts wäre. Ich schaue mich um. Alles ganz gewöhnlich. In den Nachrichten ist noch nichts zu lesen. Bleibt nur die Spurensuche vor Ort. Ein Bekannter meldet sich nach durchzechter Nacht. Keine Einschränkungen auf dem Heimweg. Wenig darauf bestätigen verschiedene Quellen, dass in Cotonou Schüsse gefallen seien.
Für einen Moment sah ich meine baldige Ausreise sich in die unbestimmte Zukunft verschieben. Das Adrenalin vertreibt die Müdigkeit. Ich verfalle in Aktionismus. Militärputsch in Benin – ob die Redaktion in Zürich sich wohl dafür interessieren wird? Schon bald kommt Entwarnung. Am Bildschirm, wo vor kurzem noch die meuternden Soldaten hastig ihre Botschaft verlasen, versichert der Innenminister noch vor dem Mittag, dass die Situation unter Kontrolle sei. Uff! Durchatmen. Erstmal den verpassten Schlaf im Rumpelbus nachholen.
Zwischen Erschütterung und Entwarnung
Die turbulenten Stunden kommen unerwartet. Benin zählt seit über 30 Jahren zu den stabileren Ländern des Kontinents. Eine grosse Ausnahme in Afrika, wo in den letzten fünf Jahren elf Coups stattgefunden haben. Zuletzt vor zwei Wochen in Guinea-Bissau. Unzufriedenheit mit der politischen Führung gibt es auch in Benin, die Bevölkerung ist jedoch Stolz auf den mehrheitlich friedlichen Weg der Entwicklung, den sie eingeschlagen hat. Der misslungene Putsch ist ein Signal, dass daran festgehalten werden soll.
Bei der Ankunft in Cotonou zeigt sich die Stadt kaum verändert. Die Menschen haben rasch wieder zum Alltag zurückgefunden. Bei der Niederschlagung des Putschversuchs kamen der zivilen Regierung Truppen der Staatengemeinschaft Ecowas zu Hilfe. Bereits am selben Abend gibt der Präsident Patrice Talon live im Nationalen Fernsehen Entwarnung. Den treuen Streitkräften sei es gelungen, eine Katastrophe für das Land abzuwenden. Am Tag darauf veröffentlicht die Regierung den offiziellen Verlauf des misslungenen Putsches.
Benin am Scheideweg
Im Nachgang werden 14 Verdächtige verhaftet, der Anführer ist flüchtig. Tage nach dem Ereignis erklärt ein Regierungssprecher an einer Pressekonferenz vielsagend, dass in den kommenden Tagen neue Informationen veröffentlicht würden. Der gescheiterte Putsch wirft schon jetzt ein dunkles Schlaglicht auf die Wahlen im kommenden Jahr.
In den Sozialen Medien tobt ein Meinungskampf. Die Putschisten werden als „Männer des Nordens“ bezeichnet. Also Anhänger des ehemaligen Präsidenten Boni Yayi, derzeitiger Anführer der grössten Oppositionspartei. Dieser hat die Meuterei in einer Videobotschaft verurteilt. Auch dass es sich beim Wortführer der Putschisten um einen Verwandten eines hohen Parteifunktionärs der Oppositionspartei handelt, heizt diese Stimmung weiter an. Nun zeigt sich, ob der gemeinsam bezwungene Aufstand das Land näher zusammenrücken lässt, oder die interne Spaltung noch verstärkt.
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