Children. Sponsored by Switzerland

Apfelverkäufer an der Ekantakuna Road.
Apfelverkäufer an der Ekantakuna Road.

Es wird Nacht in Kathmandu. Die Quartiere hier im Süden der Stadt sind stockfinster, die kleinen Verkaufslokale der Strassenrandhändler mit rostigen Rollläden versperrt. Auf den Gehsteigen schlafen dick eingepackte Menschen. Wo sich tagsüber die Blechlawine in chaotischen Bahnen durch die Stadt ergiesst und Menschen dicht gedrängt durch die Gassen huschen, bewegt sich nichts mehr.

Geisterhaft wirkt die nächtliche Stadt auf den frisch angekommenen Nachtwandler. Und doch, ganz so leergefegt, wies auf den ersten Blick scheint, sind die Strassen noch nicht. Zwar ist der Motorenlärm der Rush Hour verstummt. Dafür aber tönt das Gebell der streunenden Strassenhunde ohne Unterbruch durch die Sideroads. Aus den Baumkronen schreien Affen ihre nächtlichen Spässe in die finsteren Bezirke hinein. Die Nacht wird zum akustischen Erlebnis.

Ich habe meinen letzten freien Tag bei 34 Grad Aussentemperatur dazu genutzt, mich bei der Botschaft als temporärer Auslandschweizer anzumelden, Badeschlarpen zu kaufen (Häuser werden hier grundsätzlich barfuss oder in extra mitgebrachten Schlarpen betreten), ein paar Brocken Nepalesisch zu lernen und mit meinen 9rooms-Mitbewohnern die kulinarischen Köstlichkeiten im Touristenbezirk Thamel auszukosten.

Der singende Taxifahrer

Auf dem Rückweg aus Thamel, in einem winzigen Taxi, bekam ich zum ersten Mal die Effekte der Schweizer Entwicklungshilfe in Nepal zu spüren. Als längster der Gruppe durfte ich mich vorne auf den Beifahrersitz zwängen (Shotgun!). Und während meine drei Kollegen auf dem Rückbänkli zusammengepfercht nach Luft rangen, hat mich der Taxifahrer vorne auf den teuren Plätzen in ein Gespräch verwickelt. Als ich ihm erzählte, ich sei aus der Schweiz und hier, um zu arbeiten, hat er mich in voller, holpriger Fahrt umarmt, geküsst, meinen rechten Arm gepackt und nicht mehr losgelassen.

“Switzerland, Switzerland”, rief er unablässig. “My children are sponsored by Switzerland!” Die Kleider, die Schule, alles zahle Switzerland. Er und seine beiden Töchter hätten ein glückliches Leben, dank Switzerland. Er begann zu singen, meinen Arm fest im Griff. Und erst, als wir von einer Polizeipatrouille rausgewunken wurden und er seinen kaputten Taxometer noch schnell zum laufen bringen wollte, liess er mich los und haute viermal auf das arme Ding ein, bis es schliesslich müde zu flackern begann. Auffällig: Der Taxifahrer und der Polizist hielten sich während der ganzen, rund 30-sekündigen Unterhaltung über den Taxometer und den allfälligen Alkoholkonsum an der Hand. Die Fahrt, übrigens, wollte mir der Taxifahrer schenken. Während meine drei Kollegen je 100 Rupien zücken mussten, hat er sich (fast) erfolgreich geweigert, meinen Beitrag anzunehmen.

Preisexplosion beim Momo-Handel

Ein wenig anders sah das heute Mittag aus, als ich mich nach einer langen Quartierwanderung überhitzt in mein “Stammcafé” setzte und die genau gleichen Momos bestellte wie gestern. Interessant war die Rechnung. Gestern haben mich die “Pork Momos, steamed” 90 Rupien gekostet. Heute waren sie plötzlich 140 Rupien wert. Indirekte Entwicklungshilfe.

Kathmandu Post-Check:

Die KP hat heute eine ganze Seite dem Thema “Sanitäre Anlagen” gewidmet. Bis 2017 möchte Nepal sein “total sanitation target” erreichen: Alle Nepalesen sollen dann Zugang zu einer Toilette und frischem Trinkwasser haben. Heute leben noch immer geschätzte 30 Prozent der städtischen Bevölkerung ohne Zugang zu sanitären Anlagen. Um das Ziel zu erreichen, müsste Nepal laut Schätzungen der KP jährlich rund 85 Millionen US-Dollar investieren. Eher pessimistisch ist die KP mit Blick auf die anstehenden Wahlen. Am 19. November soll in Nepal ein neues Parlament gewählt werden, das unter anderem die dringende Aufgabe haben wird, über eine definitive Landesverfassung abzustimmen.

Seit dem Ende des zehnjährigen Bürgerkriegs zwischen den Maoisten und den königsnahen Parteien 2006 hat Nepal keine Verfassung mehr. Khil Raj Regmi, der oberste Richter des Landes, wurde damit beauftragt, die Wahlen zu organisieren. Diese Aufgabe ist erfüllt. Regmi weigert sich jedoch, von seinem Posten zurückzutreten. Das hat die CPN, eine Splittergruppe der starken Maoistischen Partei Nepals, dazu veranlasst, die Wahlen zu boykottieren. Die KP bezweifelt in der heutigen Ausgabe, ob die Wahlen unter diesen Umständen wie geplant abgehalten werden können und spekuliert, dass man die CPN-Maoisten bis Mitte November nicht dazu überreden werden könne, von ihrer Position abzurücken.

Morgen geht’s los

Erst gestern (16. September) hatten die CPN-Maoisten in den westlichen Bezirken des Landes zu einem “banda” (politischer Protest) aufgerufen und einen Fernverkehrsbus, der sich nicht an das vorübergehende Fahrverbot hielt, in Brand gesteckt. Ab morgen, 18. September, werde ich die Kathmandu Post nicht mehr nur als Konsument lesen, sondern sie – hoffentlich – in irgendeiner Art und Weise als Mitarbeiter auch mitgestalten können. Welche Aufgabe ich als Praktikant bei der KP haben werde, weiss ich noch nicht. Ich freue mich aber unglaublich darauf, mein Internship zu starten und vielleicht den einen oder anderen Einblick in die Medienwelt dieses offenkundig sehr komplexen Landes zu erhalten.

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