Ein ängstlicher Beamter ist ein mühsamer Beamter

Die Presseakkreditierung, nein, die habe ich noch immer nicht. Und seit gut einer Woche ist es richtig absurd. Eigentlich geht es einzig noch darum, dass der Information Service eine verbindliche Antwort der Migrationsbehörde braucht, wonach mein Business Visum für eine Presseakkreditierung ausreicht. Nun haben wir diese Zusicherung bereits vor einer Woche mündlich erhalten und alles andere ergibt keinen Sinn, doch damit ist der Bürokratie nicht Genüge getan. Es braucht einen schriftlichen Nachweis dafür. Das heisst: Es braucht eine formelle Anfrage des Information Service an die Migrationsbehörde. Diese wiederum verfasst eine formelle Antwort und sendet diese an den Information Service, worauf dieser mir den Presseausweis ausstellt. Vite fait? Mitnichten. Stand acht Tage später: Die Migrationsbehörde hat die (positive) Antwort verfasst. Problem: Erst eine Person hat signiert. Zwei weitere Unterschriften sind ausstehend. Gut möglich, dass der Wisch bei dieser hochsensitiven Angelegenheit noch auf dem Pult des Präsidenten landet.

Nun kann man sich über diese Vorgänge lustig machen, die unfähigen Beamten beschimpfen oder gleich ganz Afrika abschreiben. Spannender ist indes, dass diese Vorgänge bezeichnend sind für den aktuellen Zustand der Politik in Tansania. Und darüber will ich heute eigentlich schreiben.

Beginnen wir mit diesem Video:

Keeping It Real with Adeola: Nigerianische TV-Sendung zu John Magufuli

John Magufuli Superstar. Auch ich war erst mal angetan, als ich vom neuen Präsidenten – dem Bulldozer – hörte. Zweifellos hat Magafuli gute Absichten: Er bekämpft die Korruption, geht gegen Geldverschwendung und Faulheit der Behörden vor und will sicherstellen, dass Tansania angemessen für die Rohstoffe entschädigt wird.

Das klingt alles sehr toll. Die gewählten Mittel hingegen erschüttern die Fundamente des Staates. Tansania betreibt plötzlich eine nationalistische Politik, und die Freiheitsrechte müssen zurückstehen.

Zum Nationalismus: Seit Magufuli im Amt ist, ist das Leben für Ausländer schwieriger geworden. In meiner WG warten wir derzeit auf eine Pressekkreditierung, eine Forschungserlaubnis und eine Aufenthaltsbewilligung. Der Italiener, der auf der Botschaft ein Praktikum macht, probiert’s schon gar nicht und arbeitet hier in aller Ruhe und Italianità mit einem Touristenvisum. Andere warten seit sieben Monaten auf eine Arbeitsbewilligung. Kürzlich riefen die Behörden alle Ausländer auf, ihre Arbeitsbewilligungen überprüfen zu lassen. Von einem Inländervorrang light kann hier keine Rede sein. Vielmehr üben die Behörden grossen Druck auf die Arbeitgeber aus, ihre Posten mit Einheimischen zu besetzen. Magufuli geht auch rigoros gegen ausländische Firmen vor, die Tansania angeblich ausbeuten. Den kanadischen Goldminenbetreiber Acaccia zwingt er mit einer fragwürdigen Nachsteuerforderung in dreistelliger Milliardenhöhe sowie einem Exportbann in die Knie. Vertragstreue und rechtsstaatliche Prinzipien kümmern ihn nicht. Die langfristigen Wirkungen auf das Investitionsklima ebenso wenig.

Zu den Freiheitsrechten. Der politische Wettbewerb ist zunehmend bedroht. Diese Woche wurde innerhalb kurzer Zeit die vierte kritische Zeitung verboten. Die Versammlungsfreiheit für oppositionelle Gruppen hat Magufuli bis zu den nächsten Wahlen ausgesetzt. Auf einen führenden Oppositionspolitiker wurden unter mysteriösen Umständen 32 Schüsse abgegeben. Er überlebt das Attentat nur knapp. Oppositionspolitiker wagen sich kaum mehr, kritisch zu äussern. Am Stadtstrand werden malträtierte Leichen angeschwemmt. Und manche missliebige Personen verschwinden einfach, nachdem sie von der Polizei festgehalten worden sind.

Auch wenn ich nicht nach Tansania kam, um politisch grosse Stricke zu zerreissen: Ich bin Journalist, und ich bin Ausländer. Im gegenwärtigen Klima ist das eine unschöne Kombination. Entsprechend gross ist die Nervosität. Beim Citizen möchte niemand mehr den Arbeitsvertrag unterschreiben; und plötzlich besteht man auf einen Presseausweis, selbst wenn grosse Teile der Reaktion keinen besitzt. Beim Information Service gibt man sich nicht mit einer mündlichen Rückmeldung zufrieden, sondern möchte alles auf Papier festgehalten haben. Und beim Migrationsamt braucht es nicht weniger als drei Unterschriften unterschiedlicher Hierarchiestufen für eine Lappalie. Anschaulicher könnte die allgemeine Verunsicherung kaum sein. Niemand will einen Fehler machen. Der Citizen will nicht seine Existenz aufs Spiel setzen, die Beamten nicht ihren Job verlieren. Da spielt es keine Rolle, ob dabei ein ausländischer Journalist versauert.

Ah ja, ich arbeite übrigens seit dieser Woche. We’ll do it the italian way now. Wenn Gesetze idiotisch sind und/oder die Bürokratie überbordet, wird einfach getrickst. So einfach ist das – und so vernichtend für einen Rechtsstaat.

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