Warten auf die heisse Phase nach dem Sommer

In Tbilisi liegt eine Erwartung in der Luft. Darauf, dass alle aus den Ferien zurückkehren. Und darauf, dass die Proteste weitergehen.

Ich bin nach Tbilisi gekommen mit dem Vorhaben, mich thematisch auf Tourismusentwicklung und Kultur zu fokussieren. Nach Woche eins zeigt sich: In Georgien geht es letztlich in jedem Interview um Politik. Insbesondere in diesem in jeder Hinsicht heissen Sommer 2019.

Rückblende

Ende Juni setzt sich während einer Orthodoxie-Tagung im Parlament der russische Abgeordnete Sergei Gawrilow auf den Platz des georgischen Parlamentsvorsitzenden. Ein Affront, denn die Beziehung zu Russland ist schlecht. Erst 2008 führten die beiden Länder Krieg um Südossetien und auch die abtrünnige Provinz Abchasien wird von Russland unterstützt.

Dieser Affront löst innert wenigen Stunden einen Massenprotest aus. In der Nacht auf den 20. Juni strömen zehntausende vors Parlament. Einige versuchen, das Gebäude zu stürmen. Es kommt zu Ausschreitungen, die Polizei setzt Wasserwerfer, Tränengas und Gummischrot ein. Über 200 Personen, auch Polizisten, werden verletzt. Zwei Demonstranten verlieren ein Auge.

Wird es wieder Massenproteste geben?

Mariam Geguchadze ist Studentin und Mitorganisatorin der Proteste.

Kenner der politischen Gegebenheiten sagen, die Proteste hätten sich zwar «an Russland» entzündet, aber eigentlich gehe es schlicht darum, dass die Menschen das Vertrauen in ihre Politik verloren hätten (Interview mit Stefan Meister, Leiter des Südkaukasusbüros der Heinrich Böll Stiftung).

Der 20. Juni bewegt die Menschen hier. Auf einem spontan ins Leben gerufenen Internet-TV- Sender diskutierten Aktivisten und Kulturschaffende den ganzen Sommer über. Immer wieder demonstrierten grössere und kleinere Gruppen vor dem Parlament. Aber die Sommerhitze Tbilisis liess die Teilnehmerzahlen schmelzen.

Nun ist die grosse Frage: Werden die Demonstranten mit den kühleren Winden im September vors Parlament zurückkehren? Angekündigt haben Sie es. (Interview mit Mariam Geguchadze, einer der Organisatorinnen der Proteste).

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