«Oli.» – «Oli?» – «Oli!»

Wie es ist, wenn der Samstag der Sonntag ist, und wenn man in einem fremden Land gleich heisst wie der neue Regierungschef.

Caffè Latte und ein Stück Brownie,
Caffè Latte und ein Stück Brownie.

Drinnen, im Himalayan Java Coffee, da sitze ich.

Ich nehme einen Schluck von meinem Caffè Latte, der mich fit halten soll. Zwei Säckli Zucker und ein Stück Brownie unterstützen uns dabei.

Darshan, meine Chefin, hat mir angeboten, ab und zu ‚Home Office‘ zu machen. Heute nehme ich diese Möglichkeit gerne wahr, denn aufzustehen fiel mir schwer. Wieder einmal habe ich mich die halbe Nacht hin und her gewälzt, Gedanken über dieses und jenes, untermalt von einem endlosen Hundekonzert in der Nachbarschaft. Und schlief ich dann doch fast ein, spürte ich wieder – hartes Bett sei Dank – die Schmerzen im Rücken. Morgen soll ich aber eine neue, weichere Matratze bekommen. Sohnish, der Chef des kleinen Hotels, in dem ich die nächsten zwei Monate wohne, hat mir das so versprochen. First-World-Problems, ich weiss, angesichts der Armut, die hier in Nepal allgegenwärtig ist. Wie viele Menschen nicht einmal ein Dach über dem Kopf, geschweige denn ein Bett zum schlafen haben…

Da es mir im Hotel etwas fad war, bin ich samt Laptop in den touristisch geprägten Stadtteil Thamel gefahren, mache meinen ‚Home Office Day‘ also von hier aus. Das Himalayan Java Coffee ist in der Mandala Street; eine hübsche, wenn auch künstlich angelegte Einkaufsstrasse. Ich überarbeite einen der vielen eingereichten Gastautorenbeiträge für die OPED (Meinungsseiten) der ‚Kathmandu Post‘. Derzeit ist das Redigieren der oft in holprigem Englisch verfassten Artikel noch meine Hauptaufgabe.

Khadga Prasad Sharma Oli ist der 38. Premierminister Nepals.
Khadga Prasad Sharma Oli ist der 38. Premierminister Nepals.

Das Team der Samstagsausgabe (‚On Saturday‘; der Samstag ist hier in Nepal wie der Sonntag in der Schweiz, was sich auf meinen Alltag aber glücklicherweise kaum auswirkt) hat mich aber schon angefragt, ob ich gerne für sie schreiben würde. Natürlich will ich! Aber wohl erst nach den Dashain-Feierlichkeiten, welche das Land nun fast die ganze Woche lahmlegen.

An das grosse Gewusel, die vielen Menschen, an das Chaos, das auf den zweiten Blick sogar eine gewisse Ordnung in sich birgt, habe ich mich langsam gewöhnt. Auch scheint die sprachliche Hürde zu den Redaktionskollegen weitestgehend überwunden, gibt es doch mittlerweile kaum mehr Missverständnisse, und bald bin ich ja vielleicht auch auf Englisch einigermassen schlagfertig. Jedes Mal, wenn ich im Newsroom neue Arbeitskollegen kennenlerne und ich mich mit Namen vorstelle, ernte ich ein Grinsen und muss meist nochmals bestätigen, dass sie richtig gehört haben. Denn auch Nepals neuer Regierungschef heisst… Oli!

Oli nach seiner Wahl im Oktober 2015.
Oli nach seiner Wahl im Oktober 2015. ©ekantipur

Aber allzu viel kann und sollte ich mir nicht darauf einbilden, ist Oli doch ziemlich umstritten und hat mehr als nur einen Berg Arbeit vor sich. Die nepalesische Politik ist ziemlich komplex und lässt sich so auf die Schnelle auch nicht einfach erklaeren. Aber seit dem Ende des Königreichs und jahrelangem Bürgerkrieg befindet sich Nepal in einem permanenten Prozess des Wandels. Und der Weg ist noch weit. So ist seit rund einem Monat eine neue Verfassung in Kraft, seit einigen Tagen amtet unter Olis Führung eine neue Regierung, immer wieder gibt es Proteste in den flachen Gebieten des Südens. Dazu kommt noch die inoffizielle Handelsblockade durch Indien.

Dazu aber ein anderes Mal mehr. Viel mehr.

Ich nehme noch einen Schluck.

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