Bogotá und das Wasser: Es ist kompliziert

Während die Strassen Bogotás wegen täglichen starken Regenfällen im Wasser versinken, rationiert die Stadt das Trinkwasser. 

Bogotás Strassen unter Wasser
Fast täglich werden die Strassen Bogotás überschwemmt.

Im April haben Behörden die kolumbianische Hauptstadt in neun Zonen unterteilt. Jeden Tag wird einer Zone die Wasserzufuhr gekappt. In dieser Zeit kann nicht geduscht werden, die Toilette können nicht gespült werden und der Abwasch bleibt liegen.

Offiziell wird die Wasserzufuhr morgens um 8 Uhr untervrochen, und 24 Stunden später wiederhergestellt. In der Praxis beginnt die Unterbrechung jedoch oft deutlich früher und dauert deutlich länger. In meinem Viertel tröpfelt es meist erst kurz vor Mittag wieder aus den Leitungen, bis das Wasser wieder vollständig fliesst ist es Nachmittag.

Im Sechspersonen-Haushalt, in dem ich wohne, bedeutet dies jedes Mal einen gewissen Organisationsaufwand. Am Abend vor dem sogenannten „corte“ wollen jeweils alle gleichzeitig duschen. Am nächsten Tag und auch noch am übernächsten Morgen ist schliesslich keine Dusche möglich. Im Badezimmer füllen wir einen grossen Eimer mit Wasser, mit dem wir zumindest ein paar Mal die Toilette spülen können.  Für Trinkwasser füllen wir in der Küche mehrere Gefässe. Abwaschen tun wir jeweils erst, wenn das Wasser wieder läuft. Meistens haben wir bis dahin unser ganzes Geschirr aufgebraucht. Besonders ärgerlich (und unhygienisch) ist es, wenn man den Rationierungstag vergisst, was bei dem unregelmässigen Rhythmus von neun Tagen schnell passieren kann. Auch uns ist das schon passiert.

Abgestellt wird das Wasser ausserdem nicht nur für Privathaushalte, sondern auch für Geschäfte. Die Coiffeur-Salons, die Bäckereien und kleinen Restaurants in meinem Quartier sind an diesen Tagen jeweils geschlossen.

Die Rationierung betrifft allerdings nicht alle Einwohnerinnen und Einwohner Bogotas gleichermassen. Einige Gebäude, vor allem in den wohlhabenden Gegenden der Stadt, verfügen über grosse Wassertanks, die die Rationierung problemlos überbrücken. Reichere Leute spüren davon also nichts.

Notlage wegen Überschwemmungen

Besonders paradox wirkt diese Situation, weil Bogotá im Moment mit starken Regenfällen und Überschwemmungen zu kämpfen hat. Seit Anfang November gab es kaum einen regenfreien Tag. Und die täglichen Regenfälle sind jeweils so heftig, dass die halbe Stadt unter Wasser steht.

Seit Anfang November regnet es täglich.

Mitte November rief Kolumbiens Präsident Gustavo Petro aufgrund der Überschwemmungen den Notstand aus und sagte seine geplante Teilnahme an der Klimakonferenz in Aserbaidschan ab. „Die zunehmenden Klimaschwankungen setzen unsere am stärksten gefährdeten Regionen einem größeren Risiko aus“, betonte Petro an der Pressekonferenz, an der er die Notlage ausrief.

Klimawandel und schlechte Infrastruktur

Aber wie kann es gleichzeitig zu Überschwemmungen und Wasserknappheit kommen? Der Grund dafür liegt in einer Mischung aus einem schnellen Bevölkerungswachstum, Infrastruktur-Problemen, dem Wetterphänomen El Niño und dem Klimawandel. 

Die meisten Städte auf der Welt sind für ihre Wasserversorgung auf Grundwasser angewiesen. In Bogota wird hingegen fast das gesamte Trinkwasser aus Oberflächengewässern wie Stauseen bezogen. Diese sind für Niederschlagsschwankungen viel anfälliger als Grundwasser. Im Zentrum der Wasserkrise steht dabei das Chingaza-Reservoir, das die Trinkwasserversorgung für 70% der kolumbianischen Hauptstadt und der umliegenden Gemeinden sichert. Es liegt etwas über 50 Kilometer von der Stadt entfernt im sogenannten Paramo, dem Hochgebirge, das die Stadt umgibt. Ist dieses Reservoir leer, hat Bogotá ein Problem.

Wegen des Wetterphänomens El Niño, das in Kolumbien zu höheren Temperaturen und geringeren Niederschlägen führt, litt die Stadt im letzten Jahr unter einer langen und intensiven Trockenperiode, verstärkt durch den Klimawandel, der die Dürre verstärkt. Diese Trockenheit liess den Wasserspiegel des Chingaza-Reservoirs auf ein alarmierendes Niveau von nur noch 17% sinken. Die Meteorologinnen und Meteorologen sagten damals voraus, dass ab Juli ein Anstieg der Niederschläge die Stauseen rasch anwachsen lassen würde. Nach den Monaten Juli, August und September, die historisch gesehen die regenreichsten Monate sind, ist der Stausee normalerweise voll. In diesem Jahr ist der Regen in diesen Monaten jedoch weitgehend ausgeblieben. Statt bei 100% lag der Füllstand des Chingaza-Reservoirs Anfang Oktober bei nur 36%. 

Die Besorgnis, dass Bogotá den „Tag Null“ erreichen könnte – den Punkt, an dem die Wasservorräte zu Ende gehen – wuchs. Insbesondere im Hinblick auf die Monate Januar und Februar, die traditionell als trockene Monate gelten.

Seit Anfang November regnet es nun wieder regelmässig und das Reservoir füllt sich langsam wieder. Diese Woche überschritt der Wasserstand die 50%-Marke. Die Rationierung wird aber vorläufig beibehalten – denn würde es zu einer nächsten langen Trockenperiode kommen, würden die 50% nicht ausreichen.

In Zukunft könnten sich solche Probleme noch verstärken: Da durch den Klimawandel extreme Wetterereignisse wie Hitzewellen und Dürren immer häufiger und heftiger auftreten, warnen Expertinnen und Experten, dass solche Trockenperioden in Zukunft häufiger, stärker und länger werden könnten. Gleichzeitig steigt durch das rasante Bevölkerungswachstum der Druck auf die Wasserressourcen der Stadt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert