Warum Zémbidjans zu meinem Haupt-Fortbewegungsmittel in Benin wurden
Die Fortbewegung in Benin ist einiges anders als man sich dies von anderen Weltregionen gewohnt ist. Klassische öffentliche Verkehrssysteme gibt es in Benin keine. Zwischen den Städten fahren grosse Reisebusse für eine gutbetuchtere Klientel.
Alle anderen verwenden sogenannte «Bushtaxis» oder «Tokpa-Tokpa». Normale Autos, in die man so viele Leute wie möglich presst, zu sehr günstigen Preisen. Der Name leitet sich vom grössten Freiluft-Markt in Westafrika ab, dem Dantokpa-Markt in Cotonou. Denn mit den Tokpa-Tokpa werden nicht nur Personen, sondern auch allerlei Waren transportiert, so dass die Autos meist sehr überladen sind. Und häufig ist das Ziel vieler Menschen und Waren eben der Markt. Für Interessierte: In der Netflix-Produktion «High on the Hog» wird der Dantokpa-Markt vorgestellt, eine sehenswerte Dokumentation über die afro-amerikanische Küche.
Mein persönliches Fortbewegunsmittel in Parakou zu organisieren, gestaltete sich zuerst nicht ganz einfach. Der Versuch, ein Motorrad für mehrere Wochen zu mieten, scheiterte. Niemand wollte einem Ausländer ein Zweirad auf Zeit ausleihen. Ich hätte eines kaufen und dann wieder verkaufen können. Im Nachhinein wäre dies wahrscheinlich eine gute Entscheidung gewesen. Inzwischen neigt sich mein Aufenthalt hier in Parakou jedoch langsam seinem Ende entgegen. Und die Zémbidjans, wie in Benin die Motorradtaxis genannt werden, haben zahlreiche Vorteile. Fünf wissenswerte Dinge zu den Zéms.
- Flexibilität und Schnelligkeit
Wenn man im städtischen Gebiet an einen Ort gelangen muss, braucht man nur an eine grosse Strasse zu stehen. Meist dauert es keine 30 Sekunden, bis ein verfügbares Zém anhält. Die Fahrer sind an ihren gelben oder gelb-grünen Jacken (je nach Stadt) zu erkennen. Zéms können problemlos zwischen Staus hindurchfahren. Deshalb sind sie gerade in urbanen Gebieten, was die Geschwindigkeit anbelangt, unschlagbar. - Sicherheit
Wie bei allen Motorradtaxis gibt es auch bei den Beniner Zéms Sicherheitsbedenken. Der Verkehr ist oft chaotisch. Die Zémfahrer sind sich diesen jedoch gewohnt – im Gegensatz zu mir. Helme sind derweil Pflicht. Die Polizei führt regelmässig Kontrollen durch und büsst Fahrer und Passagiere, die ohne Helm unterwegs sind. Deshalb hat auch jeder Zém noch einen zusätzlichen Kopfschutz für einen Passagier dabei. Oftmals sind diese aber von zweifelhafter Qualität, etwas abgetragen und lassen sich häufig nicht schliessen, sodass ich mir ziemlich bald einen eigenen Helm gekauft hatte. - Preis
Eine Fahrt mit einem Zém ist mit Abstand das günstigste motorisierte Verkehrsmittel. Für eine Fahrt von 10 Minuten zahlt man in der Regel keine 50 Rappen. Natürlich ist alles Verhandlungssache. Gerade als weisse Person versuchen die Fahrer (ausnahmslos Männer) immer noch etwas mehr herauszuholen. Mit der Zeit kennt man die Preise sowie überzeugende Gegenargumente, sodass ich dieses Spiel auch zusehends genoss. - Erlebnis
Auch bestechen die Zéms mit der Erfahrung. Man erlebt eine Stadt anders, wenn man hinten auf einem Motorrad sitzt als abgeschottet in einem Auto. Ausserdem geniesse ich gerade am kühlen Morgen die frische und noch nicht zu stark von Staub durchsetzte Luft im Freien. - Wirtschaftliche Bedeutung
Nicht zuletzt verdienen viele Menschen dadurch ihren Lebensunterhalt. In einer Region mit hohem Arbeitsdruck und begrenzten Beschäftigungsmöglichkeiten bieten Zéms eine flexible Einkommensquelle. Die Fahrer müssen sich lediglich registrieren lassen und bezahlen eine jährliche Gebühr an einen Verband. Die Gelder gehen dann an die Gemeinde – und los geht’s.
Doch das Leben als Zémfahrer ist kein Einfaches. Die steigenden Benzinpreise erhöhen den wirtschaftlichen Druck, Polizeiwillkür und Korruption verursachen zusätzlich Kosten. Zusammengefasst sind die Zéms ein unverzichtbarer Bestandteil des urbanen Verkehrsnetzes in Benin. Und davon profitiert ein Batouré (weisse Person) wie ich ebenfalls.
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