Catherine Wanjeri Kariuk: “Ich bin immer noch traumatisiert”
Die kenianische Journalistin Catherine Wanjeri Kariuk wurde am 16. Juli 2024 mit Gummigeschossen schwer verletzt. Sie berichtete über die Jugendproteste gegen die Regierung und war durch eine Warnweste klar als Journalistin erkennbar. Die Schüsse kamen aus einem Polizeiauto.
Verschiedene Journalisten-Verbände verurteilen diesen Angriff auf die Pressefreiheit scharf. Die Journalistin, die für Kameme TV in Nakuru arbeitet, wird mit Telefonanrufen bedroht und fürchtet um ihr Leben. Wanjeri erzählt, wie sie die letzten zweieinhalb Monate persönlich erlebt hat:
„Ich habe als Journalistin eigentlich immer gut mit der Polizei zusammengearbeitet. Hatte ich eine Medienanfrage, schrieb ich dem Polizeichef auf Whatsapp. Doch am Nachmittag, als mich die Schüsse trafen, war die Stimmung zwischen uns Journalist:innen und der Polizei ganz komisch. “Cold Blood” – so würde ich es beschreiben.
Ich war für Kameme TV als Reporterin unterwegs und berichtete über die Gen-Z-Proteste in Nakuru. Ich hielt das Mikrofon, mein Kollege filmte. Beim Marktplatz setzte die Polizei Tränengas ein. Völlig unnötig. Die Polizist:innen waren mit Pferden vor Ort und das heisst in Kenia immer: Es ist ernst.
Gegen 15.30 Uhr stand ich mit vielen anderen Journalist:innen auf der Kenyatta Avenue, der Hauptstrasse in Nakuru. Wir waren eindeutig als Medienschaffende erkennbar. Um uns herum hatte es keine Demonstrierenden. Ich trug einen gelben Hoodie und darüber eine Presse-Weste.
Plötzlich spürte ich starke Schmerzen im Oberschenkel. Ich ging zu Boden, fasste mir ans Bein, und dann sah ich Blut an meinen Händen.
Die vier Gummischrot-Projektile wurden aus einem Polizeiauto aus nächster Nähe abgefeuert. Hätten sie meinen Bauch getroffen, hätte ich sterben können.
Die anderen Journalist:innen halfen mir auf. Mit einem Motorrad wurde ich ins Spital gefahren. Bei einer Operation haben Ärzt:innen die Projektile aus meinem Oberschenkel entfernt. Bei einer Wunde kam es zu einer Infektion. Ich musste drei Tage im Spital bleiben.
Die erste Zeit danach verbrachte ich bei meinen Eltern. Der Journalisten-Verband hat Anzeige gegen die Polizei erstattet. Erst einen Monat nach der Tat war ich stark genug, die News-Berichte anzuschauen, in denen die Schüsse auf mich thematisiert wurden.
Weshalb der Polizist auf mich geschossen hat, weiss ich nicht. Da war diese komische Stimmung. Vielleicht wollte die Polizei uns Journalist:innen einschüchtern, damit wir nicht mehr über die Demonstrationen berichten. Aber warum bitte sollten wir den Kenianer:innen nicht sagen dürfen, was bei den Protesten in Nakuru geschieht? Kenia ist eine Demokratie. Die Pressefreiheit steht in unserer Verfassung.
Am Tag nach den Schüssen haben Kolleg:innen von verschiedenen Medien vor der Polizeistation in Nakuru demonstriert. Das hat mich gestärkt. Wir haben der Polizei gezeigt: Wir Journalist:innen in Nakuru sind ein Team und lassen uns nicht unterdrücken.
Es ist wichtig, die Tat zu verurteilen und dagegen vorzugehen. Denn sonst können sich die Journalist:innen bei ihrer Arbeit in Zukunft nicht mehr sicher fühlen – nicht nur in Nakuru, sondern in ganz Kenia.
Für mich ist es eine sehr schwierige Zeit. Ich bin noch immer traumatisiert. Ich habe es noch nicht geschafft, wieder zu arbeiten, und bin in Therapie. In meinem Job muss ich in Zukunft wieder mit der Polizei kommunizieren. Und davor habe ich Angst. Momentan könnte ich keine:n Polizist:innen interviewen. Die Emotionen würden sofort hochkommen. Aber ich möchte bald wieder arbeiten. Ich bin Journalistin und will es bleiben. Ich liebe es, Geschichten zu erzählen und sie mit anderen Menschen zu teilen.
Seit der Tat werde ich immer wieder mit anonymen Telefonanrufen bedroht. Ich fühle mich in meinem Land nicht mehr sicher, fürchte um mein Leben und jenes meiner Familie. Dass ist etwas, was ich mir nie hätte vorstellen können. Ich werde von niemandem beschützt. Freund:innen übernachten oft bei mir. Ich versuche, nie alleine zu sein.
Am meisten wütend macht mich, dass der Polizist, der auf mich geschossen hat, immer noch frei rumläuft. “That makes my blood burn.” Dass es “nur” Gummischrot war, macht die Tat nicht weniger schlimm. Ein Projektil ist ein Projektil. Gestern konnte ich zum ersten Mal nach zweieinhalb Monaten wieder ohne Krücken gehen. Die Narben werden mich aber immer daran erinnern, was mir widerfahren ist.“
Die Attacke ist noch immer nicht aufgeklärt. Samuel Ndany, Polizeichef von Nakuru, sagte in der Woche nach den Schüssen, dass der Täter festgenommen und bestraft werde. Die Independent Police Oversight Authority (IPOA) untersucht den Fall und versicherte, dass für die Sicherheit der Journalistin garantiert werde.
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