Mit dem Schnellzug durch Tansania: Begegnungen und Fragen des Glaubens
In dieser Woche hatte ich zum ersten Mal die Diskussion, die ich schon zu Beginn meines Aufenthalts hier erwartete. Gefragt, ob ich an Gott glaube, wurde ich schon oft. Die abschlägige Antwort wurde immer diskussionslos akzeptiert. Doch über die Gründe meines Ungläubigkeit wurde ich bis zur vergangenen Woche nicht ausgefragt.
Die Diskussion ereignete sich nicht in Dar es Salaam sondern in Morogoro einer kleinen Stadt westlich der Küstenstadt. Mit dem Auto bräuchte man rund vier Stunden, die knapp 200 Kilometer zu überwinden. Der Arbeitskollege Eliya und ich reisten aber mit dem Hochgeschwindigkeitszug SGR. Er verbindet das wirtschaftliche Zentrum des Landes mit der Hauptstadt Dodoma und erreicht eine Geschwindigkeit von 160 Kilometer pro Stunde. Den elektrisch betriebenen Zug gibt es erst seit Juni dieses Jahres und die unzähligen Artikel, die im Citizen publiziert wurden, zeugen davon, wie stolz man über diese neue Errungenschaft ist.
Das Ziel der Reise: die Morogoro School of Journalism. Eliya gibt hier einen Kurs über Data-Journalism. Er hatte kürzlich einen Journalismus-Preis gewonnen, der in der Suaheli-Zeitung Mwananchi erschienen ist. Er analysierte, wie viele Stunden und Kilometer die verschiedenen Fussballmannschaften für ihre Matchs im Land zurücklegen müssen, und was das für Auswirkungen auf ihre Resultate habe.
Das Ziel: Eine Anstellung beim Staat
So wurde er von Susan, der Vize-Präsidentin der Schule, angefragt, seine Erfahrungen mit den Schülerinnen und Schüler zu teilen. Sie hatte Eliya vor einigen Jahren in Dar es Salaam unterrichtet und seit einem Jahr ist sie nun in Morogoro angestellt. Die Stadt sei zwar langweilig, aber sie könne hier gut Geld sparen, erklärt sie, als wir bei ihr im Büro sassen. Sie gebe weniger Geld für den Arbeitsweg aus, da sie gerade neben der Schule wohne. Für immer hier bleiben will sie aber nicht. Sie hat es auf einen Verwaltungsjob in Dar es Salaam abgesehen. Das sei eine sichere Anstellung und der Lohn sei viel besser als der einer Lehrerin.
Sie erzählt aber nicht nur aus ihrem Leben, sondern will auch wissen, woher ich komme und was ich hier mache. Und dann fragt sie überraschend: «Glaubst du an Gott?» Als ich verneine, macht sie keine Anstalten, ihre Missbilligung zu verstecken. «Wieso nicht?», fragt sie herausfordernd.
Eine Frage, die ich mir schon lange nicht mehr gestellt habe und die mich erstmals sprachlos zurücklässt. So spiele ich den Ball an sie zurück und frage sie, warum sie an Gott glaubt. Die Antwort bereitet ihr keine Mühe: In ihrer langen Erklärung zitiert sie Hiob und andere Bibelpassagen, die ich nicht kenne. Nach ihren Ausführungen weiss ich noch immer nicht, wie ich meine agnostische Position rechtfertigen kann. «Ich brauche keinen Gott, um gute Dinge zu tun», ist mein erbärmliche Antwort. «I will pray for you», antwortet sie mit einer ordentlichen Portion Mitleid.
Wieso ist Journalismus wichtig?
Nach dieser peinlichen Diskussion führt sie uns durch die Schule. Mehrere Gebäude umfasst das Ausbildungszentrum. Die jüngsten Schüler sind hier 17 Jahre alt, aber gegen oben sei es offen, erklärt sie. Wir besuchen das Fernseh- und Radiostudio, wo die Schülerinnen und Schüler Auftritte üben können, und zum Schluss das Klassenzimmer, in dem Eliya seine Lektion halten wird.
Er beginnt seinen Vortrag, während eine Handvoll Studentinnen und Studenten ihm gebannt zuhören. Mit der Zeit kommen immer mehr Interessierte in den Raum ohne Türe. Sie bringen ihre Stühle mit in den Raum und setzen sich, wo es noch Platz hat.
Kaum jemand macht sich Notizen, doch fast alle folgen dem Vortrag interessiert. Zum Abschluss erzähle ich, woher ich komme und wieso es Journalismus braucht. Ganz nach dem Motto der Schule: Media for Democracy. Doch bezweifle ich, dass meine Erfahrung als Schweizer Journalistin mit der Lebensrealität der hiesigen Medienlandschaft vergleichbar ist.
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