Im Kampf gegen Sucht und Drogen in Myanmar
Myanmar hat ein Drogenproblem: Die steigende Produktion von Opium und Methamphetamin treibt viele in die Abhängigkeit.
24 Jahre ist es her, dass Pam Rogers nach Mae Sariang, Nordthailand, ausgewandert ist. Sie war endlich trocken, hatte ihre eigene Alkoholsucht hinter sich gelassen und sich zum Ziel gesetzt, anderen einen Weg aus der Sucht zu zeigen.
Ihre Reise Ende der 1990er ins damalige Burma hatte sie nie mehr losgelassen: die Herzlichkeit der Menschen, trotz einem Alltag in Gewalt und Armut. Auch damals war ein Regime an der Macht, das es nicht einmal versucht hatte, seine Taten vor Tourist:innen wie ihr zu verstecken. Pam musste zusehen, wie Menschen auf offener Strasse gekidnappt wurden.
Also wollte sie den Menschen helfen, die schon damals vor der Gewalt über die Grenze nach Thailand geflohen sind. Genauer: Den Menschen, die von den Drogen weg und aus dem „goldenen Dreieck“ ausbrechen wollten.
Das goldene Dreieck und die Drogen
Den Namen „goldenes Dreieck“ hat die Region zwischen Nordthailand, Laos und Myanmar dem Opium zu verdanken. Seit Jahrhunderten bauen Myanmars Landwirte Mohn als Droge an. Und seitdem die Militärjunta vor drei Jahren die Macht übernommen hat, sind die dortigen Drogenproduzenten in einem neuen Hoch.
Nicht nur hat Myanmar Afghanistan als weltweit grössten Opium-Produzenten abgelöst. Die vorherrschende Droge im ganzen Land ist Methampethamin. Das zeigt der UN Drogenreport 2023. Die Droge ist einfach herzustellen, in Fabriken oder improvisierten Labors. Manche der Chemikalien kommen aus China. Der fertige Mix wird über die Grenze, vor allem über Laos, ins Ausland geschmuggelt.
Das Tragische daran: Mit dem Anstieg der Drogenproduktion steigt auch die Anzahl der Suchtkranken.
Deswegen ist Pam Rogers auch mit 72 Jahren noch jeden Tag im Büro ihrer Stiftung, reist zu einem der sieben Rehab-Zentren in Camps entlang der thailändisch-myanmarischen Grenze oder trifft ihre Suchthelfer:innen aus Karen-State, einer Provinz in Myanmar.
Yaba ist so günstig wie nie
Es sind Armut und Hoffnungslosigkeit, die immer mehr Menschen in Myanmar in die Drogenabhängigkeit treiben. Sichtbar wird das unter anderem daran, dass in den Camps für Vertriebene mehr Drogen im Umlauf sind – und immer günstiger werden. 50 Cent kostet Yaba auf der Strasse. Wer Yaba oder andere Drogen konsumiert, will häufig für einen Moment die eigenen Sorgen vergessen, auch wenn das Glück schnell verfliegt. Während das teurere Crystalmeth vor allem nach Japan und Australien exportiert wird, konsumieren viele in Myanmar Yaba: Eine pinke Pille gefüllt mit Koffein und Methamphetamin.
Obwohl das akute Drogenproblem allen bekannt ist, wird von offizieller Seite kaum etwas dagegen unternommen. Fast überall gibt es aktuell drängendere Probleme und die Menschen suchen Schutz vor Gewalt und Hunger.
Gefährliche Süssigkeiten
Gleichzeitig schrecken Drogendealer nicht einmal davor zurück, auch Kindern und Jugendlichen Yaba anzudrehen. Sie stehen neben Schulen und verkaufen Pillen – verpackt wie Süssigkeiten – oder verteilen Yaba-Lollipops in den Clubs. Das beunruhigt das Team des UN Büros für Kriminalität und Drogen in Südostasien. Sie erkennen darin eine Strategie der Drogenindustrie gezielt Jüngere anzusprechen.
Pam Rogers erzählt von Eltern, die zu ihr gesagt hätten: „Die einzigen Menschen in Karen-State, die kein Methamphetamin konsumieren, sind alte Menschen und Babies.“
Pam war nicht nur selbst suchtkrank. Sie war in Kanada auch Suchthelferin. Von Anfang an war für sie klar, dass sie den Menschen aus Myanmar nicht westliche Methoden zur Drogenrehabilitation andrehen will: „Nicht dass sie denken, eine Pille wird ihre Abhängigkeit kurieren.“
Massage, Kräuter und Yoga als Detox
Deswegen hat sie mit ihrer Berufserfahrung und ihren Partnern vor Ort ein neues Konzept für den Drogenentzug entwickelt. Dies mit östlichen Methoden wie Massagen, traditioneller Kräutermedizin, Akupunktur, Wasserbädern oder Yoga.
Nach zehn Tagen Entzug, wenn der Körper frei von chemischen Substanzen ist, unterrichten die Suchthelfer:innen die Teilnehmenden des Suchtprogramms. Thema sind ein gesunder Lebensstil, Informationen zu HIV oder häuslicher Gewalt – die häufig ein Problem ist, weil Drogenabhängige ihre Aggressionen an der Familie auslassen.
Die Suchtzentren funktionieren vor allem deshalb, weil die ganze Community einbezogen wird. Während des Entzugs sprechen die Suchthelfer:innen mit den Angehörigen, wie sie die Betroffenen nach der Rückkehr unterstützen können. Viele von ihnen bleiben nach einem erfolgreichen Entzug da und lassen sich zu Suchthelfer:innen ausbilden, um anderen zu helfen.
Drogen im Krieg
Pam Rogers sieht in der steigenden Drogenproduktion nicht nur wirtschaftliche Gründe, um an neues Geld für den Krieg zu kommen. Sie sieht Drogen als „Kriegswaffe“: „Wenn du Menschen drogenabhängig machst, können sie nicht zurückschlagen.“ Deswegen sagt sie, habe das Motto ihrer Stiftung seit dem Coup nochmal eine neue Bedeutung bekommen. „A free mind cannot be destroyed“, wenn die Suchtkranken das Motto hörten, sehe Pam in ihren Augen ein Funkeln.
Der Drogenentzug ist für Pam, ihre Mitarbeitenden und die Suchtkranken, die aufhören wollen, nicht nur ein Weg in eine gesunde Zukunft, sondern auch ein Weg sich zu wehren:
„Sie [die Militärjunta] können dir alles nehmen, was du hast: Häuser niederbrennen, Verwandte töten oder vergewaltigen. Aber deinen Verstand können sie dir nicht nehmen. Es ist ein Weg zurückzuschlagen.“
Meine Recherche wurde bei Frontier Myanmar veröffentlicht und ist hier online nachzulesen oder in diesem Podcast hörbar.
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