«Mambo Mzungu»: Journalismus unter erschwerten Bedingungen in Tansania
Knapp 11’000 Kilometer liegen zwischen „meiner“ Redaktion an der Zuchwilerstrasse in Solothurn und jener an der Mandela Road. Trotz dieser grossen Entfernung sieht der Arbeitsalltag erstaunlich ähnlich aus, wie ich in meiner ersten Woche in Dar es Salaam beobachten konnte.
Am Morgen wird die Redaktionssitzung abgehalten. Die gestrige Zeitung wird besprochen, Themen für die Morgige werden besprochen und vergeben. Und dann wird telefoniert, E-Mails geschrieben, an einen Event gegangen oder auch Kaffee getrunken. Zeitgleich verzweifeln die Chefs am «Print-Mindset». «Die Journalisten müssen mehr auch für die Online-Plattform denken», erklärt mir ein Chef, der für die Ausbildung zuständig ist, schon fast verzweifelt. Das kommt mir nur allzu bekannt vor.

Der grosse Unterschied dabei ist: Die Redaktionssitzung – «Postmortem» wird sie hier genannt – findet nicht wie in Solothurn pünktlich um 9.15 Uhr statt, sondern «vor der Arbeit». Das ist zwischen acht und neun Uhr morgens. Wer im Büro ist, macht mit. Wer noch nicht zur Arbeit erschienen ist, verpasst es.
Für die Mzungu – die weisse Frau – im Büro ist es schwierig zu erraten, ob die Sitzung schon stattgefunden hat oder nicht. So gehöre ich zu den ersten, die im Büro erscheinen und beobachte, wie meine Arbeitskollegen eintrudeln.




Wie viele Journalisten im Mwananchi Communications Center arbeiten, konnte mir noch niemand sagen. (Übrigens: «Mwananchi» heisst «Bürger» auf Swahili.) Die Zahl 80 ist schon gefallen, doch scheint mir diese Zahl viel zu hoch.
Staatlich angeordnet: Alle Webseiten sind gesperrt
Hier entstehen gleich drei Zeitung: Die Tageszeitung «Mwananchi» auf Swahili, «Mwana Spoti» eine Sportzeitung auf Swahili und die englischsprachige Ausgabe «The Citizen», für die ich momentan arbeite.
Meine erste Woche in der Millionenstadt fällt in eine merkwürdige Zeit für die Redaktion: Seit drei Wochen sind alle ihre Online-Plattformen gesperrt. Der Auslöser war eine Karikatur über die Präsidentin Samia Suluhu Hassan. In der Schweiz hätte diese kein Aufsehen erregt. Ein erfahrener Journalist erklärt, dass die Sperre nicht von der Präsidentin verordnet wurde, sondern, dass das Gesetz so angelegt sei, dass die «Tanzania Communications Regulatory Authority» keine andere Wahl gehabt habe.
Es sei gegen das vierjährige Gesetz über elektronische Medien verstossen worden, kann man auch auf der Webseite lesen. Was genau moniert wurde, darüber schweigt sich der Journalist aus. Die «Regulatory Authority» habe die Redaktion lediglich über die Sperre informiert, den Verantwortlichen sei keine Möglichkeit gegeben worden, sich zu erklären oder einen Kompromiss auszuhandeln.
Würde in der Schweiz eine Medien-Plattform gesperrt, hätte das einen Aufschrei sondergleichen provoziert. Eine Internetrecherche zeigt aber, dass in den englischsprachigen Medien in Tansania gar nicht darüber berichtet wurde.
Lösung in Sicht – jedoch ist Vorsicht geboten
Am kommenden Freitag wird die Webseite wieder freigeschaltet. Dann wolle man viele Inhalte den Lesenden bieten: Neuer Content muss her. Gleichzeitig will man eine Best-Of-Liste mit den Artikeln machen, die in den vergangenen Wochen nur im Print publiziert wurden. Eine kurze Erklärung des Chefredaktors soll zudem publiziert werden. Dabei wird er aber nicht im Detail erklären, warum die Plattform gesperrt wurde. «Wir müssen strategisch vorgehen. Wenn wir jetzt zu viel sagen, dann kann es sein, dass wir wieder gesperrt werden», sagt der erfahrene Journalist. Dies hätte existenzielle Konsequenzen für die Zeitung, die sich in privater Hand befindet.



Ich komme also während einer ungewöhnlichen Zeit auf der Redaktion an. Sie läuft nur auf Sparflamme, weil «nur» eine Print-Zeitung produziert wird. Viele Journalisten wurden während dieser Zeit in die Zwangsferien geschickt.
Meine Präsenz auf der Redaktion wird von den meisten aus der Ferne wahrgenommen. Meine harzige Integration ist auch dem geschuldet, dass die allermeisten ungern Englisch sprechen. An meinem ersten Tag wurde mir am Empfang von der resoluten, aber herzlichen Rezeptionistin klargemacht: Lerne Swahili! Und das mache ich nun. Die Begrüssung funktioniert gut: «Mambo» – Wie geht es? -, sagt das Gegenüber und ich antworte «Poa» – Gut. Sagt jemand «Habari» – Hallo -, dann sage ich «Nzuri» – Mir geht es gut. Das ist doch schon etwas.
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